Vitales Interesse am Gegenüber und Humor auch bei ernsten Situationen: Ludwig Hasler, Philosoph, Physiker und Publizist, gibt Tipps für erfolgreiche Kommunikationswege.
Bank Cler – bei uns ist der Name Programm. Cler bedeutet einfach, klar und deutlich. In der aktuellen Ausgabe unseres Magazins blu widmen wir uns auf vielfältige Weise dem Thema Klarheit.
Oh, ich habe den Vorteil meines Alters. Der Philosoph Odo Marquard nannte das die «Schandmaul-Lizenz». Ich kann vor dem Automobilclub ungestraft den ökonomischen Unsinn des Autofimmels erörtern. Die Strafe käme zu spät, ich bin bald weg … Was mache ich richtig? Ich denke, wenn ich spreche. Ich lese nie einen Text vor, den ich mir Monate vorher zurechtgelegt habe. Ich rede frei. So fühlen sich die Zuhörer einbezogen. Sie denken mit.
Nein. Viele hängen sich mit einer sehr eindeutigen Botschaft zum Fenster hinaus. Was wir brauchen, ist der Mut zur Mehrdeutigkeit in allem. Wir müssen klar sehen, wo Mobilität in Stau umschlägt, Wohlstand in innere Armut, Fortschritt in Verlust. Diese Ambivalenz deutlich zu machen – das wäre erhellend.
«Humor ist nicht ein Scherz zwischendurch, Humor bedeutet Klarsicht. Humor ist kreativer Umgang mit Ungereimtheit.»Ludwig Hasler
Man hat mir schon vorgeworfen, ich mische Humor mit ernsten Themen. Da kann ich nur antworten: «Wer heute ohne Humor ist, hat den Ernst der Lage nicht verstanden». Humor ist nicht ein Scherz zwischendurch, Humor bedeutet Klarsicht. Humor ist kreativer Umgang mit Ungereimtheit. Und unsere Welt, unser Leben, steckt doch voller Ungereimtheiten, nicht wahr?
Am einfachsten so: Ich mache mich selber anfechtbar. Ich tue nicht so, als hätte ich den totalen Durchblick. Ich stecke ja selber drin im Theater, bin nicht der Papst. Spreche ich zum Beispiel zum Thema «Altern», beginne ich etwa mit dieser Episode: «Ich bin Gastreferent an der internen Weiterbildung eines Spitals. Da kommen drei Ärzte zu mir. Sie begrüssen mich als alten Bekannten: «In Kleidern sehen Sie ja ganz proper aus, Herr Hasler!». Damit zeige ich, dass ich nicht der unverwüstliche 80er bin, sondern auch meine Gebrechen habe Aber wenn ich das gesagt habe, kann ich ganz ungeniert darlegen, wie bescheuert ich es finde, nach der Pensionierung einfach jahrelang Urlaub zu machen! Viel erfüllender finde ich es, noch an der Zukunft mitzuwirken – auch wenn es nicht mehr meine eigene ist.
«Wenn ich mit den Menschen ins Gespräch komme, statt sie zu schulmeistern, verspricht das viel mehr Klarheit.»Ludwig Hasler
Ja. Noch besser wäre, das Publikum nicht mit einseitigen Klarheiten einzudecken. Ich versuche seit langem, einem Motto zu folgen, das von Sokrates stammen soll: «Philosophieren heisst nicht, die Leute mit Weisheiten voll zu stopfen. Philosophieren ist eine Hebammenkunst.» Wenn ich mit den Menschen ins Gespräch komme, statt sie zu schulmeistern, verspricht das viel mehr Klarheit. Herausholen ist besser als behaupten. Das setzt aber voraus, dass ich die «Adressaten» genauso ernst nehme, wie mich selbst.
Ich sehe nur eine Brücke: das vitale Interesse am Andern. Das habe ich geübt: Drei Jahre lang unterhielt ich einen Briefwechsel mit Samantha Zaugg, die genau 50 Jahre jünger ist als ich. Zwei Welten, nicht nur sprachlich. Wer sich dennoch auf den Austausch einlässt, erlebt eine Art «Fegefeuer» der eigenen Vorurteile und fixen Haltungen. Manchmal anstrengend, aber insgesamt befreiend!
Philosoph und Physiker