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Marktausblick

Weltweite Reaktion auf Corona Pandemie steht vor Bewährungsprobe.

CIO Kommentar, Freitag, 24. April 2020

Dr. Sandro Merino, Chief Investment Officer

Aus globaler Sicht betrachtet, könnte die Pandemie in diesen Tagen ihren Höhepunkt durchschreiten. In Asien und in Europa ist die Hoffnung berechtigt, dass auch die wirtschaftliche Erholung in den nächsten Monaten weitergehen, respektive zumindest beginnen kann. Die USA scheinen derzeit einen anderen Weg gehen zu wollen oder nicht in der Lage zu sein die Krise ähnlich wie in Asien oder Europa zu bewältigen. Lockerungen in den USA werden, zumindest teilweise und regional, bereits beschlossen, bevor die Fallzahlen deutlich gefallen sind. Das Risiko ist dabei eine viel höhere Zahl von Todesfällen zu erleiden. Aber auch eine langanhaltende und chronische Beeinträchtigung der Wirtschaftsaktivität ist zu befürchten. Spekulationen über die Wirksamkeit von Medikamenten wie «Hydroxy-Chloroquine» und die Studie über den Wirkstoff von Gilead scheinen keine wissenschaftlich gesicherte Wirksamkeit nachweisen zu können. Man sollte also nicht daraufsetzen, dass es rasch wirksamere Behandlungsmethoden geben wird. Hoffen darf man aber weiter, dass die intensiven Anstrengungen mittelfristig zu einem Ergebnis führen könnten.

Somit steht eine Bewährungsprobe für das Krisenmanagement in Europa bevor. Sowohl epidemiologisch als auch bezüglich der wirtschaftlichen Auswirkungen. Es muss gelingen die Lockerung so durchzuführen, dass die Fallzahlen nicht wieder exponentiell steigen und der Kollaps der Wirtschaft muss um jeden Preis verhindert werden. Zumindest in Österreich scheinen die bereits am 14. April eingeführten Lockerungen bisher zu keinem Anstieg der Neuinfektionen geführt zu haben. Ähnlich wie in der Schweiz, sind die Neuinfektionen in Österreich seit Tagen unter der Zahl von 100 (in der Schweiz gut 200). Dies hat Österreich dazu veranlasst mehr Geschäften nach dem 1. Mai die Öffnung zu erlauben.

Fokussieren wir uns heute aber auf die wirtschaftlichen Aspekte

Erwartungsgemäss hat das gestrige Treffen der EU-Staatschefs noch keine Einigung darüber erzielt, wie eine weitere Billion an Stützungsmassnahmen gestaltet werden soll. Es scheint aber insofern Fortschritte zu geben, dass jetzt mehr über das «Wie» und nicht über das «Ob» verhandelt wird. Hinter den technischen Fragen ob Corona Bonds, der ESM oder das EU-Budget die Finanzierung der Hilfen bereitstellt, steht die Frage ob die Hilfe in Form von Krediten oder echten Transferzahlungen stattfinden sollen. Kredite müssen am Ende zurückbezahlt werden und dienen vor allem dazu Zeit zu gewinnen. Transferzahlungen sind Umverteilungen von Steuereinnahmen zwischen den EU-Staaten und somit in ihrer Wirkung als Ausdruck von «Solidarität» wesentlich überzeugender. Die politisch schwierigen Diskussionen im EU-Rat werden dazu in eine zweite Runde gehen.

Währenddessen reisst die Serie von Hiobsbotschaften in Form der vielen Wirtschaftsindikatoren die diese Woche veröffentlicht wurden nicht ab

  • Der Deutsche Ifo-Index ist auf historischem Tief und liegt deutlich unter dem Tiefstwert der Finanzkrise 2008/2009. Falls sie sich die (ökonomische) Laune für das kommende Wochenende verderben wollen, können interessierte Leser den Bericht des Ifo-Instituts zur Veröffentlichung des Index im Anhang lesen. Tun sie es aber besser nicht, der Bericht könnte als einer der pessimistischsten Veröffentlichungen in die Wirtschaftsgeschichte eingehen, gleich unter dem Eintrag zum negativen Ölpreis.
  • Das Schweizer Staatsekretariat SECO hat die Wachstumsprognose für das Schweizer BIP für 2020 auf -6.7% nach unten korrigiert, aber gut-schweizerisch mit etwas gelassener gewählten Formulierungen. Immerhin erwartet (oder hofft) die SECO auf 5.2% Wachstum im nächsten Jahr.
  • Das Britische Research Unternehmen Capital Economics sieht für das globale BIP für 2020 sogar ein Minus von 5%, ist damit also noch deutlich negativer als der Internationale Währungsfonds der -3% erwartet.
  • Last but not least, erwartet die EZB-Präsidentin, Christine Lagarde, für die Eurozone in diesem Jahr eine Schrumpfung des BIP von 15%. Nicht überraschend, dass sie den Europarat zum Handeln aufruft und «too little too late» moniert.

Am kommenden Donnerstag findet eine reguläre Sitzung der EZB statt und viele Beobachter erwarten, dass das PEPP Kaufprogramm 2020 für Euro Staatsanleihen im Wert von 750 Milliarden Euro, das gerade erst am 18. März beschlossen wurde, in irgendeiner Form aufgestockt werden könnte. Das Akronym PEPP steht für «Pandemic Emergency Purchase Program» und dieses Programm muss sich nicht an die Kapitalschlüssel bei der Allokation der Käufe von Anleihen verschiedener Eurozone Staaten halten. Übers Wochenende könnte die Rating Agentur Standard & Poors die Bonität Italiens herabstufen, was dazu führen kann, dass PEPP durch ein grösseres PEPP II aufgestockt werden müsste. Ich bin kein Freund vieler komplizierter Akronyme, die auch bei der EZB beliebt zu sein scheinen (LTRO, TLTRO, MREL, MIP, MFI, etc.). Erfahrungsgemäss wird durch Abkürzungen oft banales aufgebläht oder aber unangenehmes verschleiert.

Etwas fällt bei der aktuellen Diskussion um die Solidarität in der Eurozone mir aber auf

Die Risiken die aus einer solidarischen Haftung für Staatschulden innerhalb der Eurozone entstehen, sind transparent. EU Bürgerinnen und Bürger verstehen was eine Bürgschaft bedeutet und können mündig entscheiden, ob sie das sinnvoll finden oder nicht. Entsprechend legitim ist die kontroverse und offene demokratische Debatte darüber im Europarat. Unabhängig davon wie man sie beurteilt, sind die Risiken, die aus einer immer extremeren Ausweitung der Bilanz der EZB entstehen, über die gemeinsame Währung bereits gemeinschaftlich getragen. Die EZB Bilanz ist seit 2007 von etwas über einer Billion auf über 5 Billionen Euro angestiegen. Die damit erzwungene Tiefzinsphase sorgt laufend für gigantischen Umverteilungen. Beispielsweise werden Hauseigentümer durch tiefe Zinsen bevorzugt und Rentenfonds durch tiefe Renditen benachteiligt.

Diese asymmetrische Wahrnehmung, bei der einerseits eine reflexartige Ablehnung gemeinschaftlich getragener Schulden oder direkter Transferzahlung in den nördlichen Euro Staaten überwiegt und wo andererseits mit grösster Selbstverständlichkeit 4 Billionen an EZB-Bilanzsumme für den gemeinsamen Euro aufgetürmt werden, erscheint mir völlig irrational. Zumal die Risiken die aus einer so grossen EZB Bilanz entstehen noch wesentlich komplexer und vor allem intransparenter sind. Es ist aber weiterhin zu erwarten, dass das Bilanzwachstum der EZB als «lender of last resort» vorerst noch weitergehen wird und neue Abkürzungen erfunden werden, solange keine transparenteren politischen Lösungen in der EU gefunden werden.

Entwicklung an den Aktienmärkten

Auch am heutigen Freitag eröffnen die weltweiten Aktienmärkte richtungslos und wenig verändert. Die europäischen Aktienmärkte sind leicht im Minus. Der Schweizer SMI-Index ist aktuell etwa -0.5% im Minus. Für die US-Aktienmärkte wird heute ebenfalls wenig Bewegung erwartet. US-Aktien verlieren seit Jahresanfang je nach Index (Dow Jones / Standard % Poors 500) aktuell etwa 14% bis 18%, europäische Aktien etwa 24%, Schweizer Aktien etwa 9% und chinesische Aktien (CSI 300 Index) etwa 7% (alle Zahlen per 24.4.2020 ca. 13:00, Basel Zeit, Markbewegungen seit Jahresanfang in CHF bewertet).

Wir wiederholen an dieser Stelle erneut, dass Angst ist in diesem Umfeld kein guter Ratgeber ist. Wir raten an Aktienpositionen festzuhalten. Möchten Sie regelmässig über die aktuelle Börsenlage informiert werden? Dann abonnieren Sie jetzt unseren Investment Letter.

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