Heute Nachmittag findet eine reguläre Sitzung der Europäischen Zentralbank statt. Trotz der erneuten Herabstufung Italiens durch die Rating Agentur Fitch anfangs dieser Woche, behält Italien weiterhin mit einem BBB Minus die tiefste Bonitätsstufe in der sogenannten «investment grade» Kategorie. Diese Bonitätsklasse ist deswegen wichtig, weil viele institutionelle Anleger wie Pensionskassen oder Versicherungen ihre Anlagen in Obligationen dieser Mindestanforderung unterstellen. Fallen Schuldner aus dieser Klasse heraus, entsteht oft ein zusätzlicher Verkaufsdruck auf Anleihen solcher Emittenten, weil es aufgrund der Anlage-Reglemente zu Zwangsverkäufen kommt. Die Emittenten die aus dieser Klasse herausfallen, werden dann im Markt oft auch «fallen angels» genannt. Diese bewegen sich dann in der «sub-investment grade» Bonitätsklasse, manchmal salopp auch "Ramsch" oder "Schrott" genannt. Wie oft in der Finanzindustrie gibt es auch in diesem Fall viel Fachchinesisch für herzlich wenig substanziellen Inhalt.
Diese Bonitätseinschätzungen der Rating Agenturen wurden nach den extrem vielen Konkursen während der Grossen Depression der 1930er Jahre zu einem lukrativen Geschäft und es bis heute eines geblieben. Obwohl es heute methodisch sinnvollere Möglichkeiten gibt die Kreditqualität von Schuldnern zu beurteilen, die sich mehr auf Marktpreise und hochfrequentere Daten stützen, bleiben die Ratings der Agenturen ein vielbeachtetes Instrument und das Geschäft floriert weiter. Insbesondere ist die gesammelte Statistik zur Anzahl Konkurse pro Bonitätsstufe und Jahr das Kapital dieser Unternehmen. Nach einem Jahrzehnt mit wenig Konkursen und sehr gedämpften Manifestationen des Kreditrisikos, könnte diese Pandemie die fundierte Analyse von Kreditrisiken wieder zu einer sehr gefragten seltenen Kompetenz werden lassen.
Bisher bleibt Italien, wenn auch nur knapp, in der «investment grade» Bonitätsstufe und zwar aus Sicht aller drei grossen Rating Agenturen: Moody's, Standard & Poors und Fitch. Die Gründe für das nochmals herabgestufte Kreditrating Italiens sind das Budgetdefizit von etwa 10% des BIP, etwa 160 Milliarden Euro, und weiterer 400 Milliarden Euro, 25 % des BIP, an Kreditbürgschaften durch den italienischen Staat. Zusammen mit einem erwarteten Einbruch des BIPs um etwa 10 % für 2020 hat sich die Lage erheblich verschlechtert.
Somit erwarten manche Beobachter, dass die EZB heute das 750 Milliarden Euro PEPP Anleihen-Kaufprogramm nochmals aufstocken könnte, oder andere erweitere Stützungsmassnahmen ankündigen wird. Ein unmittelbarer Handlungsdruck ist aus dem Markt derzeit nicht vorhanden. Die Risiko- Zinsaufschläge für italienische Staatsanleihen sind wieder auf deutlich tieferen Niveaus.
April bringt Erholung an den Aktienmärkten
Der April war ein sehr guter Monat für Aktien. Die wichtigsten globalen Aktienindices haben je nach Region 5% bis 16% zugelegt. Im April am meisten zugelegt, hat der US-Technologieindex Nasdaq, der etwa 15.5% gestiegen ist. Der Schweizer SMI hat im April nur etwa 5% zugelegt. Er hatte davor aber auch viel weniger verloren. Seit Jahresanfang verliert der SMI weniger als 8% und berücksichtigt man die Dividendenerträge, dann sogar weniger als 5.5%. Eine erstaunlich gutmütige Reaktion des Schweizer Aktienmarktes in Anbetracht der vielen Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft.
Die Einbrüche bei den Wachstumszahlen im ersten Quartal in der Grössenordnung von minus 5% im Vergleich zum Vorquartal (Q4-19) für die USA, Deutschland, Frankreich, Spanien oder Italien waren erwartet. Die Zahlen für das aktuelle zweite Quartal dürften noch wesentlich schlechter werden. Auch das wird aber schon in den Märkten bereits diskontiert.
Ebenfalls symbolisch für die ausserordentliche wirtschaftliche Lage ist, dass das Energieunternehmen Royal Dutch Shell zum ersten Mal seit dem zweiten Weltkrieg die Dividende gestrichen hat.
Trotz allem scheint die Kombination von massiven Eingriffen der Geldpolitik und der Fiskalpolitik ein Rezept zu sein, dass die Finanzmärkte stabilisieren konnte. Die Frage, wie nachhaltig dies wirken wird, bereitet auch uns viel Kopfzerbrechen. Diese Nebenwirkungen der Geld- und Fiskalpolitik werden, aus unserer Sicht, in eine entferntere Zukunft verschoben, die uns kurzfristig noch nicht einholen wird. Wir widerstehen derzeit aber der Versuchung die Aktienquote weiter zu erhöhen und bleiben in unseren Strategien auf unserer taktisch neutralen Position.
Entwicklung an den Aktienmärkten
Am heutigen Donnerstag eröffnen die weltweiten Aktienmärkte mit leichten Verlusten. Die europäischen Aktienmärkte sind etwa 0.25 % im Minus. Der Schweizer SMI-Index ist aktuell ebenfalls etwa 0.5 % im Minus. Für die US-Aktienmärkte wird heute eine leicht positive Eröffnung erwartet. US-Aktien verlieren seit Jahresanfang je nach Index (Dow Jones / Standard % Poors 500) aktuell etwa 9 % bis 13 %, europäische Aktien etwa 20 %, Schweizer Aktien etwa 8 % und chinesische Aktien (CSI 300 Index) etwa 5 % (alle Zahlen per 30.4.2020 ca. 11:00, Basel Zeit, Markbewegungen seit Jahresanfang in CHF bewertet).
Obwohl wir die Einschätzung teilen, dass wir uns für die Anlagestrategie in einer sehr ungewissen und risikoreichen Phase befinden, stützt der Ausblick auf weiterhin extrem tiefe Zinsen und sehr tiefe Inflation mittelfristig den Ausblick für Aktien. Wir verharren somit bei unserer taktisch neutralen Gewichtung von Aktien bei der strategischen Quote der jeweiligen Anlagestrategie.
Wir wiederholen an dieser Stelle erneut, dass Angst ist in diesem Umfeld kein guter Ratgeber ist. Wir raten an Aktienpositionen festzuhalten. Möchten Sie regelmässig über die aktuelle Börsenlage informiert werden? Dann abonnieren Sie jetzt unseren
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