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Authentizität statt Mini-Las-Vegas

Die charmanten Häuser der Belle Époque verzücken die Betrachtenden bis heute. Kein Wunder feiert die Verspieltheit in der Architektur eine Renaissance. Reine Replikationen haben aber in der Schweiz einen schweren Stand, sagt Alice Hollenstein, Spezialistin für Urban Psychology der Universität Zürich.

Türmchen, Loggia, Rundbogen, Giebeldach: Die Villa wirkt mediterran und mittelalterlich – steht aber erst seit Kurzem in einer Schweizer Wohnsiedlung. Was ist von solchen Nachbildungen zu halten, die einen Hauch Europa-Park-Feeling verströmen?

Alice Hollenstein ist Co-Geschäftsführerin des Center for Urban & Real Estate Management (CUREM) der Universität Zürich und spezialisiert auf Urban Psychology. Bei dieser noch weitgehend unbekannten Disziplin geht es darum, herauszufinden, wie Gebäude und Städte Menschen beeinflussen: Was braucht es, damit wir uns in unseren vier Wänden wohlfühlen?

Das Prototypische punktet

Hollenstein untersucht hierzu physiologische, psychologische und soziale Bedürfnisse. Erstaunlich sind die Befunde der «empirischen Ästhetik»: Die meisten Menschen bevorzugen beispielsweise einen renovierten Bau aus der Gründerzeit gegenüber einem Wolkenkratzer im Blockviertel. «Vielfalt mit Ordnung nehmen wir als schön wahr», formuliert Hollenstein das Grundprinzip. Ein Gebäudekomplex dürfe nicht monoton erscheinen, sondern solle stimulieren, sprich Raum für Entdeckungen bieten. Vor diesem Die charmanten Häuser der Belle Époque verzücken die Betrachtenden bis heute. Kein Wunder feiert die Verspieltheit in der Architektur eine Renaissance. Reine Replikationen haben aber in der Schweiz einen schweren Stand, sagt Alice Hollenstein, Spezialistin für Urban Psychology der Universität Zürich. Hintergrund schneiden europäische Altstädte mit ihren verwinkelten Strukturen gut ab. «So, wie wir Menschen mittelgrosse Nasen für attraktiv halten, zieht uns bei den Häusern das Prototypische an. Das Giebeldach gefällt der Mehrheit besser als Konstruktionen der Moderne.»

Eine andere Frage ist, wie die Architektur auf dieses Phänomen reagieren soll. Während Pseudo- Altbauten in der Schweiz Ausnahmen bleiben, entstehen in Deutschland mancherorts rezipierte Siedlungen im Jugendstil auf grüner Wiese. «Der ethische Diskurs ist wichtig: Wollen wir das Alte einfach replizieren oder uns als Gesellschaft weiterentwickeln?», gibt Hollenstein zu bedenken. Die Psychologie beschreibt, wem was weshalb gefällt – «ob man dann auch so bauen will, ist eher eine philosophische Frage», ergänzt Hollenstein. Sie hält es für interessanter, zu analysieren, was die Altbauten so beliebt macht, und die Erkenntnisse auf Neubauten anzuwenden – als lediglich Kopien der Vergangenheit aufzustellen.

New Urbanism bietet Perspektiven

Vielversprechend ist der New Urbanism. «Die Bewegung ist in den USA als Kontrapunkt zur Zersiedlung durch die Einfamilienhäuser entstanden», erklärt Hollenstein. Sie richtet zwar Retortenstädte auf, aber diese orientieren sich an historischen Altstädten. Ähnlich wie diese überzeugen sie durch kurze Wege, lebendige Nachbarschaften, begrünte Innenhöfe und Parks. Als Vorzeigequartiere nennt Hollenstein etwa Aspern Seestadt in Wien, in kleinerem Rahmen auch «mehr als wohnen» in Zürich-Leutschenbach. Klar ist für Hollenstein: «Fliessen die Erkenntnisse der Urban Psychology in die Planung ein, gelingt es, die Lebensqualität zu steigern – und gesellschaftliche Kosten zu senken.»

Aspern Seestadt, Wien

Alice Hollenstein ist Co-Leiterin des Center for Urban & Real Estate Management (CUREM) der Universität Zürich und Gründerin von Urban Psychology Consulting & Research. Mit ihrem Spezialgebiet Urban Psychology will sie dazu beitragen, die gebaute Umwelt nutzerorientiert zu entwickeln.

Multifunktionalität gegen Platznot

Pro Person stehen in Städten immer weniger Quadratmeter zur Verfügung. Gefragt sind also multifunktionale und flexible Raumkonzepte. Theoretisch bietet da Augmented Reality (AR) interessante Perspektiven. Denn mit der Technologie lässt sich die reale Welt mit virtuellen Zusätzen ergänzen. Im Handumdrehen könnte sich also ein Business-Raum abends in ein Kino oder eine Konzerthalle verwandeln – und sonntags zur Kirche.

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