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Die eigene Chefin - Tipps zur Selbstständigkeit

Selbstständigkeit hat unbestritten Vorteile: keine schlechte Musik im Büro, keine nervigen Arbeitszeiten, unliebsame Kunden kann man eigenhändig rauswerfen, niemand isst einem das Joghurt im Kühlschrank weg. Trotzdem sollte man nicht vorschnell zum eigenen Chef, zur eigenen Chefin werden. Zumindest nicht, ohne vorher diesen Blogpost zu lesen.

Dass Selbstständigkeit kein Sonntagsspaziergang ist, zeigt die Überlebensrate von Start-ups. Gemäss Untersuchung des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) schaffen etwa 60 Prozent der Unternehmen die ersten fünf Jahre. Das ist im internationalen Vergleich viel, bedeutet aber dennoch: Bei vier von zehn Gründern platzt der Traum (1).

Zumal überleben ja nicht gleichbedeutend ist mit Erfolg haben - und das wollen Sie ja. Um sich nicht nur irgendwie durchzuwursteln, sondern zum erfolgreichen Unternehmer zu werden, helfen folgende vier Tipps.

1. Von den anderen lernen

Die Entwicklung von Start-ups wird immer stärker von der Wissenschaft begleitet, zahlreiche Untersuchungen widmen sich den häufigsten Gründen des Scheiterns. Machen Sie sich diese Vorarbeit zunutze und schauen Sie nach, welche Fehler Ihre Vorgänger gemacht haben. Folgende drei tauchen in praktisch jeder Fehlerauflistung auf.

  • Zu geringe Nachfrage. Der häufigste Grund für ein Scheitern ist zugleich der banalste. Unternehmer müssen einleuchtend erklären können, welches Bedürfnis ihr Produkt oder ihre Dienstleistung befriedigt. Noch besser ist, wenn sogar ein real existierendes Problem gelöst wird. Ist beides nicht der Fall, braucht es keine Firma.
  • Das Geld geht aus. Wer ein Unternehmen gründet, ohne zuvor eine gründliche Finanzplanung zu machen, hat schon verloren. Einem Naturgesetz gleich sind die Ausgaben meist höher als budgetiert, die Einnahmen tiefer als erwartet. Ein Start-up muss die Mittel haben, Durststrecken zu überstehen.
  • Die falschen Mitarbeiter. Bei einer Gründung sind die Mitarbeiter mit Abstand das Wichtigste. Wenn man nur zu zweit oder dritt ist, gibt es neben einem selbst nicht viele, die das Projekt zum Erfolg führen können. Ebenfalls wichtig: Gute Freunde sind nicht automatisch gute Geschäftspartner.

2. Die Risiken abwägen

Nur wer alles bedingungslos auf eine Karte setze, habe die Chance auf Erfolg, ist ein oft gehörter Mythos. So wie Bill Gates, der sein Studium an der Elite-Uni Harvard geschmissen hat, um Microsoft zu gründen. Diese Geschichte ist nicht falsch – lässt jedoch ein wichtiges Detail aus: Gates hat sein Studium nicht «geschmissen», er hat sich beurlauben lassen. Hätte Microsoft nicht derart durchschlagenden Erfolg gehabt, hätte er sein Studium fortsetzen können.

Auch andere erfolgreiche Gründer liessen es langsam angehen. Steve Wozniak arbeitete zwei weitere Jahre bei Hewlett-Packard, nachdem er mit Steve Jobs Apple gegründet hatte. Die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page liessen sich gar zwei Jahre Zeit, um das Stanford-Studium zugunsten ihrer Suchmaschine aufzugeben.

Dieses Vorgehen wird von einer Untersuchung der Universität von Wisconsin unterstützt, in der 5000 Gründer über zwölf Jahre begleitet wurden. Diejenigen, die ihren Brotjob anfangs behielten, hatten eine 33 Prozent tiefere Wahrscheinlichkeit, Pleite zu gehen (2).

3. Sich unterstützen lassen

Es gibt zahlreiche Inkubatoren und sonstige Anlaufstellen, die Unternehmertun fördern. Wirtschaft, Politik, Gesellschaft: Vielerorts stossen Gründer auf offene Ohren – und handfeste Unterstützung. Diese Quellen sollte man unbedingt anzapfen. Und selbst dort, wo die Türen nicht offen stehen: Überall arbeiten Menschen, mit denen man reden und die man allenfalls als Unterstützer gewinnen kann. Hilfe gibt es auch finanzieller Art: Auf jungunternehmerpreise.ch findet sich ein gutes Dutzend Angebote, bei denen Jungunternehmer Geld erhalten können. Aber auch sonst gibt es viele konventionelle Arten an Geld zu gelangen, allein die Vielfalt an Krediten ist hoch.

Speziell viele Angebote gibt es für Gründerinnen, die immer noch in der Minderheit sind. Gemäss KMU-Portal des Bundes wurde 2015 immerhin jedes dritte Unternehmen von Frauen gegründet. Anders sieht es aus, wenn man wie der European Start-up Monitor nur die wachstumsstarken Start-ups betrachtet: Hier gehört die Schweiz mit einem Frauenanteil von knapp über zehn Prozent zu den Schlusslichtern (3).

Das ist zweifellos ein Missstand, der jedoch zu den eigenen (weiblichen) Gunsten genutzt werden kann. Es gibt zahlreiche Netzwerke und Initiativen, die sich ausschliesslich Unternehmerinnen widmen. Bei Initiativen wie «We Shape Tach» oder dem «Gründerinnen-Stammtisch» stehen Türen nicht nur offen. Man wartet regelrecht darauf, dass jemand hereintritt.

4. Weil es so wichtig ist: Finanzplanung ernst nehmen

Vermutlich das Tragischste, was einem Start-up passieren kann, ist Folgendes: super Idee, super Team, super Timing, super Spirit – aber keine anständige Finanzplanung. Auch hier: Lassen Sie sich beraten von Menschen, die sich damit auskennen. Nur weil man schon mal ein privates Haushaltsbudget erstellt hat – das dann sogar aufgegangen ist –, heisst dies noch lange nicht, dass es auch beim eigenen Unternehmen funktionieren wird. Wichtig ist es einen Überblick über seine Zahlungen zu behalten.

Die Finanzplanung eines Unternehmens ist eine Wissenschaft für sich. Doch wie alle Wissenschaften kann man sie lernen, und das werden Sie im Laufe der Zeit als Unternehmer auch zwangsläufig tun müssen. Auch in der Bankenbranche war E-Banking vielen Kunden ein Buch mit sieben Siegeln, mittlerweile beherrscht es fast jeder. Auch die zahlreichen Apps und Tools, die einen bei der Finanzplanung unterstützen, werden Sie irgendwann verstehen und nutzen. Aber für Neugründer ohne Know-how gilt: Der Sprung ins kalte Budgetbecken, und erst noch ohne Flügeli, führt in den finanziellen Untergang. 

Der letzte Tipp verhilft nicht zum erfolgreichen Unternehmertun und erhält darum auch keine Nummer, kann aber Existenzen retten.

Was nicht sein soll, soll nicht sein

Es spricht für einen, wenn man den Traum des eigenen Unternehmens in die Realität umsetzt und ein paar Jahre Vollgas gibt. Wenn man aber merkt, dass man nicht wirklich auf einen grünen Zweig kommt, die Firma alles einnimmt und keine Zeit mehr für ein Privatleben übrig bleibt: Übung abbrechen! Es ist niemandem gedient, wenn man sich selbst kaputt macht. Selbst das erfolgreichste Unternehmen ersetzt ein zufriedenes Leben nicht.

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(1) «Statistische Grundlagen zu Neugründungen und wachstumsstarken Unternehmen», SECO, September 2016
(2) «Should I Quit My Day Job?: A Hybrid Path to Entrepreneurship», Joseph Raffiee & Jie Feng, Academy of management Journal, Vol. 57, No. 4, 2013
(3) European Startup Monitor 2016