CIO Kommentar, Montag, 11. September 2023
Derzeit verursacht fast jeder neue Datenpunkt eines Konjunkturindikators negative Schlagzeilen in der Wirtschaftspresse. Dabei müsste die heutige wirtschaftliche Lage gemäss den Expertenprognosen, welche vor einem Jahr erstellt wurden, sehr viel düsterer sein, als das was wir heute erleben. Für Deutschland und die Eurozone wurde eine Rezession für 2023 erwartet und für die USA war die Frage, ob die Landung der Konjunktur auf dem Boden der Tatsachen bloss weich oder hart werden würde. Nichts davon hat sich materialisiert. Die US-Konjunktur ist überhaupt nicht gelandet, was in dieser Bildsprache einem Negativ- oder Nullwachstum entsprochen hätte. Die US-Wirtschaft ist im 2. Quartal 2023 mit einem beachtlichen Tempo von 2.5% pro Jahr gewachsen.
Die Konjunktur der Eurozone ist wie erwartet gemächlicher unterwegs und hat im 2. Quartal ein Wachstum von +0.5% erreicht. Das ist wenig aber zumindest das Vorzeichen «+» ist gut und die befürchtete Rezession mit mehreren Quartalen mit negativem Wachstum ist ausgeblieben.
Die Schweizer Wirtschaft hat im 2. Quartal nur eine Nullrunde geschafft und dürfte damit die Talsohle erreicht haben. Die Konsensus Prognosen für die Schweizer Wirtschaft erwarten eine Rückkehr zu jährlichen Wachstumsraten von knapp 1%.
Wer das berühmte Wasserglas dennoch als halbleer sieht, kann sich zum Trost daran erinnern, wie düster die meisten Prognosen für 2023 vor einem Jahr waren. Natürlich ist der Ausblick weiterhin unsicher, aber zumindest gehen die meisten Prognosen für die Eurozone und die Schweiz in 2024 von anziehendem Wachstum aus. Hingegen hat die US-Wirtschaft im ersten Halbjahr 23 derart viel Wachstum erzeugt, dass man für die kommenden Quartale eine Abkühlung aber nach wie vor keine Rezession erwartet.
Ob die vielen konjunkturellen Negativmeldungen die bestens informierten Notenbankerinnen und Notenbanker beeindrucken werden und sie so vom Drehen an der Zinsschraube abhalten werden, darf bezweifelt werden. Gerade in der Eurozone bleibt die Inflation mit 5.3% sehr hoch und auch für die Schweiz sind 1.6% immer noch recht substanziell. Die US-Notenbank scheint hingegen die angestrebte Abkühlung am boomenden US-Arbeitsmarkt nun zumindest eingeleitet zu haben und kann mit Zuversicht auf den bereits rückläufigen Inflationstrend setzen.
Man darf mit Spannung auf den Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank am 14. September blicken. Wird sie die Leitzinsen von aktuell 4.25% auf 4.5% erhöhen? Die Meinungen sind geteilt, raten ist erlaubt, aber man weiss es heute einfach noch nicht.
Die US-Notenbank Fed dürfte am 20. September pausieren und die Leitzinsen unverändert bei 5.5% belassen. Schliesslich wird die Schweizerische Nationalbank am 21. September ihren planmässigen Zinsentscheid fällen. Wir vermuten, dass weil der Zinsentscheid der EZB bis dann ist, dieser eine bedeutende Rolle bei der Entscheidungsfindung der Schweizerischen Nationalbank SNB spielen wird. Wir gehen selbst eher davon aus, dass die SNB eine, vorerst letzte, Leitzinserhöhung von 1.75% auf 2% vornehmen wird.
Die Meldung über die Erweiterung des Staatenbundes BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) um die Länder Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate reiht sich in eine Vielzahl von Entwicklungen ein, die auf eine stärkere Polarisierung und intensivere Rivalität zwischen China und den USA hinweisen. Auch der immer härter ausgelebte technologische Wettbewerb zeigt konkrete Auswirkungen. Die Restriktionen für das Unternehmen Huawei in westlichen Ländern erwidert China mittels Massnahmen gegen den Tech-Giganten Apple in China. Auch der freie Zugang für chinesische Studierende an technischen Hochschulen in Europa und den USA wird zunehmend als problematisch eingestuft. Bei Anlagefonds wird die Option «ex-China» öfters angeboten, wenn von Anlagen in Schwellenländern die Rede ist. Ob der kalte Krieg zwischen der UdSSR und den USA, der nach dem zweiten Weltkrieg bis zum Kollaps der UdSSR eine Phase von Isolation und Feindseligkeit geprägt hat, der richtige Begriff für die gegenwärtigen Entwicklungen ist, muss hinterfragt werden. Viele aktuelle Entwicklungen deuten aber auf eine zunehmende Bedeutung dieser intensiveren Spannungen bei der Wahl von Unternehmensstrategien und bei Anlageentscheidungen hin.
Wir bleiben bei Aktien weiterhin moderat taktisch übergewichtet. Der Abschluss der Zinswende und die Perspektive erster Leitzinssenkungen in den USA im kommenden Jahr könnte den Aktienmärkten neue Impulse geben.
Das Wirtschaftswachstum ist bescheiden und eine weitere Abschwächung ist möglich. Aus unserer Sicht haben die Aktienmärkte diese Faktoren aber bereits eingepreist. Für das kommende Jahr ist eine leichte Beschleunigung der Wachstumsdynamik erwartet. Auch dieser Umstand spricht für eine Fortsetzung der Erholung an den globalen Aktienmärkten.
Der SMI-Index zeigt sich am heutigen Montag freundlich: Er ist mit rund 0.5% im Plus. Der deutsche DAX-Index gewinnt ebenfalls 0.5% an Wert. Für die US-Aktienbörsen signalisieren die Futures eine leicht positive Handelseröffnung (Stand ca. 10.10 Uhr, 11.09.2023, Basel Zeit).