CIO Kommentar, Montag, 14. Juni 2021
Die dritte Welle der Covid-Pandemie ebbt in Europa weiter ab. Die Zahl der Neuinfizierten hat in den letzten Tagen teils deutlich nachgegeben, die Inzidenzen sinken. Auch wenn es für eine allgemeine und endgültige Entwarnung (Stichwort: neue Virusvarianten) nach wie vor zu früh ist, zeichnet sich infolge des hohen Impftempos eine starke Normalisierung im Alltagsleben ab. Das spiegelt sich entsprechend in den Stimmungsindikatoren für die Wirtschaft wider. Das Vertrauen in der Industrie wie auch die Stimmung unter den Konsumenten hat in Europa deutlich zugelegt.
Neu ist, dass sich die Aussichten auch im Dienstleistungsbereich stark aufgehellt haben, die Unternehmen also optimistisch auf die kommenden Monate blicken. Und auch in der Schweizer Wirtschaft ist die Stimmung unter den Unternehmen weiterhin sehr gut. Das KOF-Konjunkturbarometer und der Einkaufsmanagerindex der Industrie haben neue Höchststände erreicht.
In der US-Wirtschaft stehen die Signale schon längere Zeit auf grün, entsprechend ist die US-Konjunktur bereits im ersten Quartal mit einer deutlich positiven Wachstumsrate des BIP ins Jahr 2021 gestartet, während Europa und die Schweiz infolge der Lockdown-Massnahmen in den ersten drei Monaten einen Rückgang beim BIP verkraften mussten. Die insgesamt recht positiven Wirtschaftsaussichten spiegeln sich auch in den Prognosen für das Bruttoinlandsprodukt der Länder und Regionen wieder. Für die Schweiz wird in diesem Jahr ein Anstieg des BIP von über 3 % erwartet, für die Eurozone von über 4 % und für die USA von über 6 %. Die positiven Konjunkturaussichten sowie die expansive Geldpolitik und Fiskalpolitik sprechen somit weiterhin klar für eine Übergewichtung der Aktienanlagen. Zur Vorsicht mahnen die hohen Bewertungen der Aktien, die aktuellen Inflationsdiskussionen und die damit verbundenen Sorgen vor einem stärkeren Anstieg der Renditen bei Obligationen.
Zentral ist bei der Inflationsdiskussion nicht die Frage, ob die Preissteigerungsraten in den kommenden Monaten weiter zulegen werden, denn damit ist zu rechnen. Zentral ist vielmehr die Frage, inwieweit es sich um eine Normalisierung im Vergleich zum Krisenjahr 2020 handelt, also um Basiseffekte, vorübergehende Lieferengpässe und Nachholeffekte zum Ausgleich der deflationären Tendenzen im vergangenen Jahr. Der Blick von Anlegerinnen und Anlegern richtet sich in diesem Zusammenhang besonders auf die USA, da dort die stärksten Preissteigerungen erwartet werden.
Dies haben auch die jüngsten Inflationszahlen vom vergangenen Donnerstag bestätigt. Wichtig dabei ist, dass aktuell einzelne starke Treiber für die Preissteigerungen identifiziert werden können, es sich also nicht um einen Preisanstieg auf breiter Front zu handeln scheint. Dies spiegelt sich auch in der Entwicklung am US-Obligationenmarkt. Anders ist es nämlich kaum erklärbar, dass die Renditen für 10-jährige US-Staatsanleihen nach der Veröffentlichung der Inflationsdaten unter 1,45 % gesunken sind.
Für die Schweiz und für Europa liegen die Inflationserwartungen deutlich tiefer. Auch der in der Schweiz im Mai erfolgte «stärkste Anstieg der Inflationsrate innert 2 Jahren» ist kein Grund zur Panik. Immerhin handelt es sich gerade einmal um ein Plus von 0,6 %. Also bei einem Warenkorb von 100 Franken um eine Teuerung von 60 Rappen. Das vor dem Hintergrund, dass die Inflationsrate im Mai 2020 Minus 1,2 % betrug, man also einen Franken und 20 Rappen weniger bezahlen musste als im Mai 2019. Was wir aktuell in der Schweiz bei den Preisen sehen, ist somit in erster Linie eine wichtige Normalisierung, aber nicht die Wiedergeburt des Inflationsgespenstes. Die Ausgaben für den betrachteten Warenkorb liegen heute immer noch unter jenen von vor dem Ausbruch der Pandemie.
Wie viele Prognostiker gehen auch wir davon aus, dass es sich bei den steigenden Inflationsraten eher um ein transitorisches Phänomen handelt, also nicht um ein verändertes Inflationsregime mit anhaltend höheren oder gar akzelerierenden Inflationsraten. Die durchschnittliche Inflationsprognose liegt weiterhin für 2022 für die Schweiz bei 0,4 %, für die Eurozone bei 1,3 % und für die USA bei 2,3 %.
Dennoch sind leicht steigende Zinsen auch in Europa und der Schweiz nicht auszuschliessen. Auch dies wäre ein Zeichen einer Normalisierung. Die Renditen 10-jähriger Schweizer Staatsanleihen sind nach wie vor negativ, dies gilt u. a. auch für deutsche Staatsanleihen. Obligationenanlagen bleiben unattraktiv.
Die Aktienbörsen eröffnen zu Wochenbeginn leicht höher. Der SMI ist aktuell etwa 0.2% im Plus. Der EuroStoxx 50 gewinnt rund 0,4%. Auch für die USA wird heute mit einer leicht positiven Markteröffnung im Bereich von +0.1% bis +0.2% gerechnet. Der USD notiert leicht unter 0.90 CHF/USD. Wir halten in unserer Anlagestrategie nach wie vor noch an unserer deutlichen taktischen Übergewichtung von Aktien fest (Stand ca. 10:00 Uhr, 14.06.2021 Basel Zeit).