CIO Kommentar, Montag, 19. Juni 2023
Die Erwartung eines Rückgangs der US-Inflation für den Monat Mai hat sich bestätigt. Aufgrund fallender Energiepreise fiel die Teuerung für Mai auf 4.0%. Für April lag dieses Inflationsmass noch bei 4.9%. Allerdings ist der Rückgang auf den Rückgang der Energiepreise und auf eine Beruhigung bei der Entwicklung von Nahrungsmittelpreisen zurückzuführen. Klammert man diese beiden Preiskategorien aus, erhält man die sogenannte Kerninflation. Die US-Kerninflation ist im Mai im Vergleich zum Vormonat nur leicht von 5.5% auf 5.3% gefallen. Damit liegt sie immer noch sehr weit über dem Preisstabilitätsziel der US-Notenbank einer Teuerung von weniger als 2%.
Zwar hat die US-Notenbank am 14. Juni eine Pause eingelegt und die USD-Leitzinsen bei 5.25% unverändert belassen, die Prognosen der Mitglieder des Offenmarktausschusses (FOMC) der US-Notenbank signalisieren aber eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für weitere Zinserhöhungen. Dies über das bereits erreichte recht hohe Zinsniveau von 5.25%.
Etwas überraschend hat diese Anpassung der Prognosen der Kommissionmitglieder in Richtung noch höherer Zinsen die Aktienmärkte nicht negativ gestimmt. Im Gegenteil, die US-Aktienmärkte haben auf den Zinsentscheid und die Kommunikation der Fed positiv reagiert. Entsprechend war die letzte Woche für den US-Aktienmarkt mit einem Anstieg von 3% sehr erfolgreich.
Ebenfalls überrascht hat die Tatsache, dass die Zinsmärkte die Signale der US-Notenbank zu einer möglichen Wiederaufnahme von Leitzinserhöhungen, nach der Pause von letzter Woche, völlig ignoriert haben. Die USD-Zinskurve signalisiert, dass die Spitze bei der Leitzinsentwicklung für den USD nun erreicht ist.
Natürlich kann sich auch der Konsensus der Marktteilnehmer irren - was nicht so selten geschieht - und die Fed könnte die Markteilnehmer mit weiteren Signalen, welche noch höhere Leitzinsen signalisieren auf dem falschen Fuss erwischen. Diese Möglichkeit werden wir bei der Gestaltung unserer taktischen Anlagestrategie mitberücksichtigen.
Die US-Wirtschaft befindet sich derzeit nicht in einer Rezession, obwohl vor einem Jahr teilweise recht düstere Prognosen für die US-Konjunktur zu lesen waren. Offen bleibt aber, ob die massiv gestiegenen Zinsen nicht doch erheblich auf das Wachstum im zweiten Halbjahr 2023 Einfluss nehmen. Der US-Arbeitsmarkt in den USA bleibt aber sehr freundlich und die Konsumausgaben der privaten Haushalte stützen die US-Wirtschaft. Ob diese Situation trotz rasch steigenden Ausgaben für Hypotheken und Mieten Bestand haben kann, darf aber angezweifelt werden.
Weniger Spielraum hatte die Europäische Zentralbank EZB. Sie hat am 15. Juni den EUR-Leitzins (Refinanzierungssatz) erwartungsgemäss von 3.75% auf 4% erhöht. Weitere Zinsschritte sind aufgrund der nach wie vor hohen Inflation (6.1% für Mai) erwartet.
Die Schweizerische Nationalbank wird am 22. Juni ihren planmässigen Zinsentscheid fällen. Erwartet wird eine Anhebung um 0.25%, was den CHF-Leitzins auf 1.75% ansteigen lassen würde.
Die CHF-Inflationszahlen für Juni werden am 3. Juli publiziert. Für Mai lag die Inflation in der Schweiz bei 2.2%.
Die Aktienmärkte haben sich im ersten Halbjahr 2023 deutlich von den herben Verlusten im vergangenen Jahr 2022 erholt. Der breite Schweizer Aktienindex SPI-Index legt in 2023 bis zum 16. Juni +9.26% zu. Die Aktienmärkte der USA und der Eurozone gewinnen sogar deutlich über 10% (Rendite aus Sicht von CHF Investoren). Die US-Technologiebörse Nasdaq legt (in CHF berechnet) gar mehr als 25% zu.
Hingegen setzt sich der Wertzerfall chinesischer Aktien weiter fort. Auch in diesem Jahr haben Investoren in chinesische Aktien Verluste zu beklagen. In CHF gerechnet haben chinesische Aktien dieses Jahr gut 3% verloren, nachdem sie schon letztes Jahr 25% eingebrochen waren.
Aus geostrategischen Gründen und aufgrund von Nachhaltigkeitskriterien hatten wir in unserer Anlagestrategie auf eine explizite Beimischung chinesischer Aktien stets verzichtet. Mit der stillschweigenden Unterstützung der russischen Aggression der Ukraine, könnte sich China in eine strategische Sackgasse begeben haben. Die schwächelnde chinesische Konjunktur und die intensiven diplomatischen Aktivitäten zwischen China und den USA könnten Anzeichen für eine gewisse Kehrtwende in der Unterstützung Russlands seitens Chinas bedeuten. Die steigenden Rivalität Chinas mit den USA hat auch für China erhebliche negative wirtschaftliche Konsequenzen. Der Beginn der ukrainischen Gegenoffensive im Juni lässt Zweifel zu, ob die Ukraine sich von der russischen Besetzung befreien kann. Allerdings erhärtet sich mehr und mehr, dass Russland kein einziges militärisches Ziel erreichen konnte und sogar in die Defensive geraten ist. Unter dem Strich wird Russland den hohen Preis einer langanhaltenden internationalen Isolation tragen müssen.
Mit Hinblick auf den konjunkturellen, geostrategischen und geldpolitischen Ausblick mag es erstaunen, dass die Aktienmärkte 2023 bisher so freundlich waren. In unserer Anlagestrategie haben wir dennoch die Aktienquote seit Oktober 2022 deutlich taktisch übergewichtet. Ausserdem haben wir am Anlagethema US-Technologie Aktien festgehalten.
Damit konnten wir im ersten Halbjahr 2023 einen signifikanten taktischen Renditebeitrag erwirtschaften. Unsere Anlagestrategie Ausgewogen Nachhaltig hat seit Anfang 2023 eine Netto-Rendite von rund 4.75% erzielen.
Mit Hinblick auf die erhoffte Wiederbelebung der Konjunktur in 2024, dem Abebben der Leitzinserhöhungen sowie den robusten Unternehmensergebnissen halten wir an der taktischen Übergewichtung bei Aktien derzeit noch fest Wir beobachten jedoch den weiteren konjunkturellen Ausblick und allfällige Signale der US-Notenbank derzeit besonders aufmerksam.
Der SMI-Index liegt am heutigen Montag etwa 0.3% im Minus. Auch der deutsche Aktienindex (DAX) verliert heute rund 0.5%. Für die US-Aktienbörsen signalisieren die Futures Indices eine leicht negative Handelseröffnung (Stand 11:30 Uhr, 19.06.2023, Basel Zeit).