CIO Kommentar, Montag, 04. August 2025
Nachdem bereits am Liberation Day die Zolldrohung seitens der US-Regierung mit 31% im Vergleich zu anderen Staaten – bspw. denen der EU – überraschend hoch ausgefallen war, hat Donald J. Trump nun nachgelegt. Kurz vor dem Schweizer Nationalfeiertag wurde die Drohkulisse gegen die Eidgenossenschaft erhöht, der Zollsatz auf Schweizer Exporte in die USA auf 39% festgelegt. Er soll ab dem 7. August 2025 erhoben werden.
Davon ausgenommen sind zunächst Pharmaprodukte, die aktuell über 50% der Schweizer Exporte in die USA ausmachen. Hier erhielten führende globale Pharmaunternehmen (u. a. Novartis) Aufforderungen, ihre in den Vereinigten Staaten geltenden Arzneimittelpreise binnen 60 Tagen massiv zu senken. Vor diesem Hintergrund könnte auch die Erhöhung der Zolldrohung gesehen werden. Die im internationalen Vergleich sehr hohen Arzneimittelpreise sind ein zentrales innenpolitisches Thema der Trump-Administration. Sie ist angetreten, diese deutlich zu senken. Es ist durchaus denkbar, dass die Vereinigten Staaten mit der erhöhten Drohkulisse die Schweizer Politik dazu bewegen will, Einfluss auf Unternehmen der Pharmabranche mit Sitz in der Eidgenossenschaft zu nehmen. Dass die USA versucht, bei den Arzneimitteln am Ende eine Lösung ohne Zölle zu finden, ist allen Anschein nach einer ökonomischen Einsicht geschuldet. Nämlich der Tatsache, dass Zölle auf Güter, deren Preiselastizität der Nachfrage (also der Reaktion der Nachfrage auf höhere Preise) eher gering ist, nur zu deutlich höheren Preisen für die Verbraucher führen.
Es scheint, dass US-Präsident Trump gegenüber der Schweiz somit eine ähnliche Verhandlungstaktik anwendet wie in Bezug auf die EU. Diese wähnte sich im Zollpoker lange Zeit auf gutem Weg, bis die Vereinigten Staaten die Schlagzahl erhöhten. Die angedrohten Zölle betrugen plötzlich 30% (Liberation Day: 20%). Am Ende kam es zu einem Deal, der bis auf den Zollsatz von 15% viele Details offen lässt.
Für die Schweiz bedeutet dies, dass aktuell noch alles offen ist. Selbst wenn bis zum 7. August noch keine Lösung gefunden wird, dürften die Verhandlungen weitergehen. Dies gilt nicht nur für die Schweiz, sondern auch für alle, die aktuell einen «Rahmenvertrag» abgeschlossen haben. Nach dem Deal ist vor dem Deal. Ein Zollsatz von 10% scheint wenig realistisch, vielmehr ist auch hier mit einem Tarif von mindestens 15% oder 20% zu rechnen. Es erschliesst sich rational jedoch nicht, weshalb die Eidgenossenschaft am Ende eine schlechtere wirtschaftspolitische Behandlung erfahren sollte, als bspw. die EU.
Falls wider Erwarten ein deutlich erhöhter Zollsatz Bestand haben würde, wäre das deutlich negativ für die Schweizer Volkswirtschaft. Hier ein Auszug aus der Einschätzung der Konjunkturforschungsstelle (KOF, Medienmitteilung vom 1. August 2025):
«Mit sogenannten reziproken Zöllen von 39% auf Schweizer Warenexporte in die USA (ohne Pharma) und 15% gegenüber Exporten aus der Europäischen Union (EU) sowie einem 10%-Zoll auf Pharmaprodukte aus der Schweiz, muss eine deutliche Verringerung des Bruttoinlandprodukts (BIP) erwartet werden. Diese würden je nach Möglichkeit von Handelsumlenkungen und Zeithorizont im Bereich von 0.3% des BIPs bis 0.6% des BIPs pro Jahr liegen. Es sind deshalb mindestens 0.3% Rückgang des BIPs zu erwarten, was jeden Schweizer und jede Schweizerin im Durchschnitt fast 300 CHF. pro Jahr kosten würden. Betroffen wären vor allem die Uhrenindustrie, Präzisionsinstrumente und die Maschinenbranche. In diesen Sektoren müssten ein beträchtlicher Anteil an Firmen, die keine sehr hohe Marktmacht haben, ihre Exporte in die USA massiv reduzieren oder sogar einstellen oder sogar Marktaustritte wären möglich.»
Generell ist festzuhalten, dass beim bisherigen Drohpotenzial (exkl. Pharmaindustrie) gemäss KOF insbesondere Firmen aus den Bereichen Uhrenindustrie, Präzisionsinstrumente und der Maschinenbranche stärker negativ betroffen wären. Deren Anteil am Schweizer Aktienmarkt (SPI) beträgt bei Luxusgütern (u. a. Richemont und Swatch) knapp 5% sowie fast 12% beim Maschinenbau. Im Einzelfall kommt es zudem darauf an, ob die Firmen in den USA Produktionsstätten betreiben oder die Waren aus der Schweiz (Swiss Made) exportieren. Am stärksten betroffen sind deshalb Unternehmen wie Swatch und Richemont.
Nachdem wir nach Donald J. Trumps Liberation Day am 2. April und den darauf sich anschliessenden Kurseinbrüchen vom 7. bis 9. April Aktien zugekauft hatten, wurden die Gewinne bei den aufgestockten Positionen Schritt für Schritt (zuletzt am 15. Juli) realisiert. Die Verkaufserlöse wurden in Cash (in CHF) allokiert, um bei starken Kursrückgängen Opportunitäten zu nutzen.
«Wie immer gilt es in solchen Phasen Ruhe zu bewahren und die mittel- und langfristigen Ziele im Auge zu behalten.»Dr. Stefan Kunzmann, Leiter Investment Research
Vor dem Hintergrund der Unsicherheiten rund um die Zölle und damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die Konjunkturaussichten (der US-Arbeitsmarktbericht fiel am Freitag schlecht aus, auch weil die beiden Vormonate stark nach unten revidiert wurden) erachten wir aktuell eine Positionierung nahe der strategischen Quoten als sinnvoll. Wir sind entsprechend neutral positioniert. Wie immer gilt es in solchen Phasen Ruhe zu bewahren und die mittel- und langfristigen Ziele im Auge zu behalten.
Der Schweizer Aktienindex (SMI) wird gemäss Vorbörse über 2% tiefer in die neue Handelswoche starten. Beim deutschen Aktienindex (DAX) deutet die Future dagegen auf eine um 0,5% höhere Börseneröffnung hin, nachdem die europäischen Märkte bereits am Freitag deutlich verloren hatten. Für die US-Aktienmärkte signalisieren die Futures-Börsen nach dem schwachen Wochenschluss vom vergangenen Freitag ebenfalls ein leichtes positive Börseneröffnung (Stand ca. 08:10 Uhr, 04. August 2025, Basel Zeit).