CIO Kommentar, Montag, 08. November 2021
Nach dem deutlichen Einbruch im September haben die Aktienmärkte bis zur ersten Novemberwoche die Verluste wieder wett gemacht. US-Aktienindices erreichen neuen Allzeithochs und auch der Schweizer SPI-Index ist aktuell sehr nah am Rekordstand aus dem Monat August.
Wie oft an den Finanzmärkten, erklimmen die Aktien trotz mancherlei Risikofaktor dennoch neue Höhen. Dabei sind die Risiken aktuell nicht kleinzureden. Die Unruhen bei chinesischen Immobiliengesellschaften gehören beispielsweise unter die vielen Risikofaktoren.
In China herrscht eine gewisse Nervosität. Dies nachdem auch Immobilienkonzerne, die auf dem Papier alle Bonitätsparameter bravourös respektieren, nun dennoch Mühe haben am internationalen Anleihenmarkt neue Kredite zu erhalten. Seit einigen Monaten kontrolliert die chinesische Regierung offenbar intensiver. Diese Bonitätskriterien, die sogenannten «drei roten Linien», welche Verschuldungsgrad und Liquidität eines Immobilienkonzerns im stabilen Bereich halten sollen, waren im Falle des chinesischen Unternehmens Kaisa klar eingehalten. Dennoch ist der Aktienkurs von Kaisa über die letzten Monate dramatisch erodiert und wurde heute gar vom Handel in Hong Kong suspendiert. Es wurde klar, dass Schulden von der Bilanz ferngehalten wurden, indem Kaisa nicht bilanzierte Schattenkredite aufnahm.
Wir gehen derzeit nicht davon aus, dass die Probleme im Immobiliensektor Chinas zu einer systemischen Finanzkrise führen werden. Das Durchgreifen der Regierung und die Einführung der «drei roten Linien» liefert aber besorgniserregenden Erkenntnisse zur Zuverlässigkeit von offiziellen Bilanzkennzahlen. Dies selbst für in Hong Kong börsenkotierte chinesischen Unternehmen, die auch international Kredite mittels Anleihen aufnehmen. Viele Investoren waren bei diesem Thema schon immer skeptisch. Zumindest in einigen nun ans Lichte gekommenen Fällen, scheint dieses Misstrauen berechtigt gewesen zu sein.
Auch die gestiegenen Energiepreise scheinen auf den ersten Blick ein Risiko für die gegenwärtige sehr robuste Konjunktur darzustellen. Man muss dabei aber beachten, dass die Weltwirtschaft in den letzten Jahren insgesamt weniger stark vom Preis fossiler Energieträger abhängt. Die sogenannte fossile Energieintensität pro Einheit Wirtschaftsleistung hat auch in den letzten 20 Jahren nochmals deutlich abgenommen. Das gestiegene Gewicht des Dienstleistungssektors und effizientere Produktionsmethoden habe zu dieser Entwicklung beigetragen.
Der noch in den 90er-Jahren direkt wirkende Zusammenhang zwischen Ölpreis und Wirtschaftswachstum ist heute weit weniger deutlich. Der aktuelle Ölpreis vom etwa 80 USD/Fass liegt sehr nah am 10-jährigen Durchschnittspreis von 78 USD/Fass.
Von einem Energiepreisschock zu sprechen, ist auf diesem Stand also irreführend. Somit ist zwar bei anhaltend höheren Energiepreisen mit einer gewissen Bremswirkung auszugehen, aber mehr als etwa 0.5% weniger Wachstum sind dadurch nicht zu befürchten. Auch in einem pessimistischen Szenario für die Entwicklung der Energiepreise würde die Weltwirtschaft in 2022 und 2023 mit etwa 4% respektive etwa 2.5% wachsen. Auch diese pessimistischen Szenarien ergeben über 2 Jahre kumuliert etwa den Durchschnittswert des globalen Wachstums über die letzten 20 Jahre von gut 3%.
Der SMI gewinnt aktuell etwa 0.5% und der DAX ist fast unverändert. Für die US-Aktienindices wird heute eine freundliche Eröffnung erwartet. (Stand ca. 15:15, 8.11.2021, Basel Zeit)