CIO Kommentar, Montag, 15. Mai 2023
Für 2023 signalisieren Prognosen und Frühindikatoren eine schwache Entwicklung der globalen Konjunktur. Dabei ist die Wirtschaft oftmals zweigeteilt. Während sich die Indikatoren für die Industrie in den Industrienationen meist im kontraktiven Bereich bewegen, deuten sie für den Dienstleistungsbereich eine Expansion der Wirtschaft an.
Für die kommenden Quartale bleibt in der Folge das Risiko einer milden Rezession bestehen. Speziell für die USA werden – im Gegensatz zur Schweiz und Eurozone – für das 3. Quartal negative Wachstumsraten vorhergesagt. Die restriktive Geldpolitik der US-Notenbank scheint zunehmend ihre Spuren zu hinterlassen.
Höhere Zinsen verschlechtern die Finanzierungsbedingungen sowohl für private Konsumausgaben als auch für die Unternehmen. Die Konsensprognosen (Median) für die Entwicklung des BIP werden dennoch für das gesamte Jahr 2023 für die USA mit 1,1% und für die Schweiz und für die Eurozone jeweils mit 0,6% angegeben.
Die allgemeinen Teuerungsraten sind seit den Höchstständen gesunken, befinden sich aber historisch betrachtet noch immer auf hohen Niveaus, die Kernraten haben zuletzt ebenfalls etwas nachgegeben. Die Prognosen versprechen für die kommenden Quartale weiterhin einen stetigen Rückgang der Inflationsraten. Die Gaspreise in Europa sind weiter gesunken und bewegen sich aktuell nahe 32 Euro/MWh, nach 340 Euro im August 2022.
Die Aktienmärkte der Industrieländer weisen seit Anfang meist eine positive Wertentwicklung auf. Der Schweizer Aktienmarkt führt dabei mit +4.8% das Performanceranking (in Schweizer Franken) in den Industrieländern an. Die in vielen Aktienmärkten positive Performance in Lokalwährung wurde jedoch durch negative Währungsentwicklungen gegenüber dem Schweizer Franken geschmälert oder ging sogar verloren.
Die Wertentwicklung der Schwellenländeraktien wurde durch das Index-Schwergewicht China beeinträchtigt, das mit -8.3 % in CHF an vorletzter Position rangiert. Auch seit Jahresanfang hinken chinesische Aktien der Performance der Aktien in den Industrienationen hinterher.
Ursachen dürften unseres Erachtens unter anderem die vielen offenen geopolitischen und geostrategischen Fragen sein. Die Rivalität mit den westlichen Demokratien, das Festhalten an Russland, die Spannungen rund um Taiwan aber auch der anhaltende Handelskonflikt mit den USA (Zölle, Beschränkungen in Bezug auf Mikrochips der neuesten Generation, etc.) hinterlassen ihre Spuren. Auch die Verquickung chinesischer Firmen mit dem Staat und die direkte staatliche Einflussnahme auf börsenkodierte Unternehmen führen dazu, dass ein direktes Engagement in chinesische Aktien oftmals kritisch hinterfragt wird.
Last, but not least steht die Chinapolitik in vielen westlichen Ländern auf dem Prüfstand. Es werden Strategien entwickelt, um die Abhängigkeit vom Reich der Mitte zu reduzieren. Wie weit die Veränderungen gerade in den wirtschaftlichen Beziehungen am Ende gehen werden, ist aktuell noch nicht abschätzbar. Sicher ist jedoch, dass sich der gegenseitige Blickwinkel deutlich verändert hat, was auch bei Anlegerinnen und Anlegern zu einem veränderten Anlageverhalten führen kann. Wir haben China trotz der grossen Bedeutung für die Weltwirtschaft in unserer Asset-Allokation aufgrund der vielen offenen Fragen nicht separat in den unterschiedlichen Anlagestrategien berücksichtigt. Indirekt sind aber auch wir, wenn auch zu einem sehr geringen Teil, über das Engagement in Emerging Markets Aktien und Obligationen Fonds investiert.
In unserer Anlagestrategie halten wir an unsere taktische Übergewichtung von Aktien fest. Die bislang für das 1. Quartal vermeldeten Gewinne der US-Unternehmen liegen deutlich unter den Vorquartalen, knapp 80% der Veröffentlichungen konnten die Erwartungen aber übertreffen. Das negative Momentum der Gewinnerwartungen am US-Aktienmarkt hat zuletzt abgenommen. Nach einem Rückgang in der ersten Jahreshälfte wird im zweiten Halbjahr mit wieder steigenden Gewinnen gerechnet.
Den eher schwachen globalen Konjunkturerwartungen stehen eine Entspannung der Energiepreise sowie sinkende Inflationsraten gegenüber. Dies schürt die Hoffnung auf ein Ende der Leitzinserhöhungen in den Industrienationen, die USA hat allem Anschein nach den Zenit der geldpolitischen Straffung bereits erreicht. Die Bewertungen der Aktien bewegen sich in Relation zum Zinsumfeld weiter auf einem fairen Niveau.
Der SMI-Index zeigt sich am heutigen Montag leicht im Plus. Auch der deutsche DAX-Index kann etwas zulegen. Für die US-Aktienbörsen signalisieren die Futures ebenfalls eine leicht positive Handelseröffnung (Stand 9:40 Uhr, 15.5.2023, Basel Zeit).