CIO Kommentar, Montag, 16. Mai 2022
Letzten Mittwoch wurden die mit Spannung erwarteten US-Inflationszahlen veröffentlicht. Der durchschnittliche Anstieg der Konsumentenpreise gegenüber dem Vorjahr lag im April bei 8.3%. Das war ein leichter Rückgang gegenüber dem März-Wert von 8.5%, der ein 40-Jahres-Hoch markierte. Die Konsens-Erwartungen lagen mit 8.1% dennoch etwas unter dem eingetretenen Wert. Die Kerninflation – ex Energie- und Nahrungsmittelpreise – ging von 6.5% im März auf 6.2% im April leicht zurück.
Neben anhaltend hohen Preissteigerungen im Energie- und Nahrungsmittelbereich frisst sich die Inflation nun auch in den US-Dienstleistungsbereich. Auffällig waren neben höheren Mieten auch Preissteigerungen bei Flugtickets, Autovermietungen und Hotelübernachtungen – ein Anzeichen für den Erlebnisdrang nach der Covid-Zeit.
Momentan ist an der Inflationsfront keine schnelle Entspannung in Sicht, wozu auch der fortdauernde Krieg in der Ukraine und die strengen Covid-Beschränkungen in China beitragen. Die heute veröffentlichten chinesischen Wirtschaftsdaten – u.a. Industrieproduktion, Einzelhandelsumsätze und Arbeitslosenrate – waren infolgedessen deutlich schwächer als erwartet. Die Lieferketten bleiben angespannt. Analysten gehen derzeit von einem nur langsamen Abflauen der Inflationsraten aus. Die Inflationserwartungen für das Gesamtjahr 2022 sind in den letzten Monaten kontinuierlich gestiegen und liegen nun bei 7% für die USA, 6.5% für die Eurozone und 2.1% für die Schweiz.
Sollten die Erwartungen eintreten und wir die Höchststände bei den Preissteigerungsraten – wenn auch langsam – hinter uns lassen, dürfte die US-Notenbank bis zum Jahresende wohl noch mindestens sieben weitere Zinsschritte à 0.25% unternehmen. Die Europäische Zentralbank laviert derweil im Spannungsfeld zwischen Konjunktur- und Inflationssorgen deutlich zögerlicher, eine erste Zinsanhebung wird überwiegend erst im Juli erwartet. Die Schweizer Nationalbank, bei der die Konjunktur- und Inflationsproblematik deutlich weniger drückt als in der Eurozone, wird sich weiterhin im Fahrwasser der EZB bewegen.
Die unterschiedliche Zinsdynamik dies- und jenseits des Atlantiks ist auch verantwortlich für den Höhenflug des US-Dollars, der am Freitag die Paritäts-Marke von 1 CHF je 1 USD überschritten hat. Damit hat der USD-Wechselkurs auch den fairen Wert von 0.97 CHF je USD hinter sich gelassen, der sich gemäss der Kaufkraftparität aus den Inflationsdifferenzen ergibt. In der Vergangenheit waren längere Phasen der Abweichung von der Kaufkraftparität allerdings keine Seltenheit. Die Kaufkraftparität dürfte zudem in den nächsten Monaten weiter sinken.
Wir sind dabei unsere USD-Prognose, die wir zu Jahresbeginn auf 0.91 CHF je USD fixiert hatten, zu überarbeiten.
Infolge der schwachen Wirtschaftsdaten aus China haben die europäischen Aktienmärkte heute zunächst leicht schwächer eröffnet und liegen etwa 0.5% unter dem Schlusskurs vom Freitag.
Der deutsche DAX-Index verliert etwa 0.65% und der SMI hat zwischenzeitlich ins Positive (+0.15%) gedreht. Für die US-Aktienmärkte wird derzeit eine leicht negative Eröffnung erwartet.
In unserer Anlagestrategie sind wir bei den Aktien weiterhin nahe der neutralen Quote gewichtet. Bei den Obligationen bleiben wir dagegen untergewichtet, was hauptsächlich zu Lasten der Obligationen CHF geht. Dagegen haben wir letzte Woche Emerging Markets Obligationen in den konventionellen Mandaten und Anlagelösungen zurückgekauft, nachdem wir deren Verkauf kurz vor Ausbruch des Kriegs gegen die Ukraine beschlossen hatten. Sie notierten rund 12% tiefer als vor dem Verkauf (Stand ca. 10:00 Uhr, 16.5.2022, Basel Zeit).