CIO Kommentar, Montag, 21. November 2022
Die Erholung an den Aktienmärkten, die in der zweiten Oktoberwoche begonnen hat, setzt sich bisher auch im November, wenn auch deutlich zaghafter, fort. Der Gegenwind für Aktienanlagen wird weiterhin durch die gleichen Faktoren, die schon seit Anfang 2022 wirken, aufrechterhalten.
Der anhaltende Angriffskrieg Russlands, hohe Energiepreise, die hohe Inflation und die dadurch ausgelöste Zinswende, sowie die Rezessionserwartungen in Europa verhindern bisher eine noch stärkere Erholung der Aktienkurse. Ausserdem lassen Meldungen über höhere Covid-Fallzahlen in China befürchten, dass neue Restriktionen die Perspektiven für den Welthandel erneut erheblich belasten könnten.
Derzeit ist aber der Stress in den globalen Lieferketten gegenüber den Sommermonaten deutlich reduziert.
Insgesamt stellen wir fest, dass nach den düsteren Szenarien, die noch im Sommer diskutiert werden mussten, sich die Lage etwas aufgehellt hat. Die Gasversorgung Europas über den kommenden Winter scheint gesichert.
Das beispielsweise im Sommer noch diskutierte Stressszenario, eines Produktionstops in der deutschen Chemieindustrie ist vom Tisch. Die europäischen Gasspeicher stehen derzeit, auch wetterbedingt, auf Maximalstand.
Die schlimmsten Ausprägungen einer potenziellen europäischen Energieversorgungskrise scheinen, zumindest vorerst, abgewendet. Die für Deutschland zwar weiterhin erwartete Rezession, dürfte nur milde ausfallen.
Die Schweizer Wirtschaft könnte in den kommenden Quartalen gar ohne negative Wachstumszahlen erstaunlich gut über den Winter kommen.
Die US-Inflation hat ihren Höchststand im Herbst schon durchlaufen und auch für die Eurozone wird der Wendepunkt im Inflationsverlauf im November oder Dezember erwartet. Die inzwischen etwas tieferen Öl- und Gaspreise würden auf dem aktuellen Stand bereits im März 2023 deutlich dämpfend auf die Inflationszahlen wirken. Die Erwartungen für das quantitative Ausmass der globalen Zinswende sind heute besser einschätzbar als noch im Sommer.
Der erwartete Zinsschritt der Schweizerischen Nationalbank am 15. Dezember, könnte mit 0.25% kleiner ausfallen, als noch vor einigen Wochen erwartet wurde.
Geostrategisch hat Russland kaum noch aktive Unterstützung für die Fortsetzung seiner Aggression auf die Ukraine. Die diplomatische Ohrfeige, die Russland am G20 Gipfel eingefangen hat und das Statement Chinas gegen Russlands atomare Drohungen, berechtigen zur Hoffnung, dass die Eskalation russischer Aggression auch rhetorisch keine nuklearen Optionen mehr beinhaltet.
Die Führung in Moskau gerät Monat für Monat stärker unter Druck, seine militärischen Misserfolge und die unsäglichen menschlichen Opfer zu rechtfertigen. Russland sucht immer offensichtlicher eine gesichtswahrende diplomatische Lösung. Solange sich Russlands Verhandlungsbasis auf dem Schlachtfeld Woche für Woche verschlechtert, hat die ukrainische Führung kein Interesse daran gezeigt, bereits zu diesem Zeitpunkt eine Gefechtspause oder gar Verhandlungen anzubieten.
Für Anleger bleibt das aktuelle Umfeld zwar weiterhin aussergewöhnlich schwierig. Das Potenzial für eine deutliche Erholung im kommenden Jahr 2023 ist aber greifbarer geworden. Extrem pessimistische Szenarien, die noch vor wenigen Monaten diskutiert werden mussten, können aus heutiger Sicht weit weniger stark gewichtet werden.
Unter dem Strich halten wir an unserer im Oktober beschlossenen taktischen Aktienübergewichtung in unserer Anlagestrategie weiterhin fest. Geduld und eine ruhige Hand bei Anlageentscheidungen sind aber auch mit Hinblick auf den Jahreswechsel angemessen und aus unserer Sicht sehr ratsam.
Der SMI-Index ist am heutigen Montag kaum verändert. Der deutsche DAX-Index verliert gegenwärtig etwa 0.50%.
Für die US-Aktienbörsen wird heute, nach den moderaten Gewinnen vom Freitag, mit leichten Verlusten gerechnet (Stand ca. 12:45 Uhr, 21.11.2022, Basel Zeit).