CIO Kommentar, Montag, 24. Oktober 2022
Mit einer Inflation für den Monat September von 9,9% bleibt der Europäischen Zentralbank (EZB) wenig Spielraum. Am kommenden Donnerstag, 27. Oktober, wird ein Zinsschritt von 0,75% erwartet. Dies bringt den wichtigsten Refinanzierungssatz bereits auf 2%. Weitere Zinsschritte im Dezember und in Q1/2023 könnten die Leitzinsen für den Euro bis auf 2,5% bis 3% ansteigen lassen. Die Konjunkturindikatoren der letzten Wochen bestätigen die Erwartung, dass die Eurozone bereits im vierten Quartal dieses Jahres eine negative Wirtschaftswachstumsrate ausweisen wird.
Auch der heute veröffentlichte Index der Einkaufsmanager in der deutschen Industrie ist auf 45.7 gefallen und liegt nun klarer im Wertebereich, welcher auf einen Rückgang der Wirtschaftsleistung hinweist. Damit reiht sich auch dieser neue Datenpunkt in den breiten Trend der sich verschlechternden Indikatoren ein.
Dennoch eröffnen die Aktienmärkte in Europa freundlich. Wohl nicht zuletzt aufgrund einer Beruhigung der politischen Lage in Grossbritannien.
Nach dem, für britische Verhältnisse, beispiellosen Debakel um die verfehlte Wirtschaftspolitik der gescheiterten Premierministerin Liz Truss, steht nun der Verlierer der Wahl, Rishi Sunak, als aussichtsreichster Tory Anwärter für den Posten des Premier Ministers im Rennen. Diese Wahl soll nun möglichst schnell über die Bühne gehen, um die äusserst gereizten Gemüter weiter zu beruhigen. Die günstige Zinsentwicklung für Staatsanleihen und für das Britische Pfund drücken die Erleichterung der Finanzmärkte über das unrühmliche Ende von "Trussonomics" heute recht deutlich aus.
Der Wechselkurs GBPCHF hat sich seit dem Tiefpunkt vom 27. September von 1.0574 aktuell um gut 7% auf 1.1329 erholt.
Ganz anders die heutige Eröffnung an den chinesischen Aktienmärkten im Anschluss an die Ernennung von Xi Jinping für eine weitere Amtszeit und vermutlich auch weit darüber hinaus.
Der Hang-Seng Index in Hong Kong verliert über 6% und der Shanghai-Shenzhen Index fast 3%. Das konsequente Festhalten an der harten Null-Covid Politik und die Zusammensetzung im ständigen Ausschuss des Politbüros der Kommunistischen Partei Chinas, der nun aus sechs loyalen Weggefährten von Xi Jinping besteht, verunsichert offenbar westliche Investoren.
So verlieren bekannte chinesische Titel wie Alibaba oder Tencent heute über 10%. Auch aus einer Nachhaltigkeits-Perspektive werden chinesische Titel für Anleger aus westlichen Demokratien immer problematischer. Neben den Dimensionen E, S, G für Environment, Social und Governance werden Stimmen laut, welche fordern, auch die Dimension "F" für Freedom einzuführen. Dies um den Begriff nachhaltiger Anlagen noch ausdrücklicher mit der Gewährung von, aus westlicher Sicht, elementarsten politischen Freiheiten und grundlegenden Menschenrechten zu verbinden.
Wir selbst sind in unseren Mandaten und Strategiefonds lediglich indirekt über die Zusammensetzung des globalen MSCI Emerging Markets Index in chinesische Aktien investiert.
Im Index hat China bereits ein Gewicht von 30% erreicht. Taiwan und Indien haben zusammen auch knapp 30% Gewicht im Index. Der MSCI Emerging Markets Index verliert aufgrund seiner Diversifikation etwa 5% weniger als der chinesische Markt (CSI 300). Somit liegt der Anteil an chinesischen Aktien in unseren Strategien insgesamt bei wenig über 1%. Damit war unsere Zurückhaltung bei Anlagen in chinesische Aktien bisher erfolgreich.
Der chinesische Aktienmarkt verliert mit fast 30% (in CHF gerechnet) dieses Jahr deutlich mehr als der Schweizer SPI. Unsere Befürchtung, dass die politischen Spannungen mit einem immer totalitäreren und gegenüber Taiwan explizit gewaltbereiten China zunehmen würden, bestätigen sich mit dem soeben zu Ende gegangenen 20. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas.
Der Westen ist spätestens seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine zumindest davor gewarnt, welche Probleme durch naiv in Kauf genommene Abhängigkeiten zu totalitären Diktaturen entstehen können.
Viele westliche Investoren scheinen diese Befürchtungen heute durch den Verkauf ihrer chinesischen Aktien auszudrücken. Die politischen Vorzeichen deuten aus unserer Sicht mittelfristig auf eine weitere Eskalation der Spannungen hin.
Der SMI-Index eröffnet heute freundlich und steigt um etwa 1,25 %. Auch der deutsche DAX-Index gewinnt gegenwärtig etwa 1,25%.
Für die US-Aktienbörsen wird heute, nach den deutlichen Gewinnen vom Freitag, eine wenig veränderte Eröffnung erwartet (Stand ca. 12:30 Uhr, 24.10.2022, Basel Zeit).