CIO Kommentar, Montag, 25. April 2022
Seit etwa einem Monat versuchen die chinesischen Gesundheitsbehörden den Covid-19 Ausbruch in Shanghai mit strikten Massnahmen unter Kontrolle zu bringen. In der 20-Millionen-Stadt, die auch den grössten Containerhafen der Welt beheimatet, wurden am Sonntag etwa 1'500 neue Covid-Infektionen gemeldet mit einer Tendenz, die über die letzte Woche fallend war. Die drakonischen Lockdown-Massnahmen, die auch mit Zwangsquarantäne in eigens dafür eingerichteten Zentren umgesetzt wurden, haben zu Protesten in der Bevölkerung Shanghais geführt.
Zwar scheint der Ausbruch in Shanghai schon besser unter Kontrolle gebracht zu sein, die Auswirkungen auf die Wirtschaft und insbesondere auf den Containerumschlag im Hafen sind jedoch beträchtlich.
Die Hiobsbotschaft, dass nun auch in Peking ein ähnlich hartes Vorgehen bevorstehen könnte, hat zu Panikkäufen der Stadt-Bevölkerung geführt und für einen weiteren Einbruch des chinesischen Aktienmarktes gesorgt.
So verliert der CSI-300 Index am heutigen Montag fast 5% und seit Jahresanfang über 20%. Auch der Ölpreis fällt heute um über 4% und notiert wieder unter 100 USD pro Fass (Sorte WTI).
Das Risiko einer Verlangsamung der chinesischen Binnennachfrage im Zuge der Lockdowns und die Folgen für die ohnehin schon gestörten internationalen Lieferketten sorgen für Pessimismus an den Märkten.
Es ist unklar, ob die chinesische Führung Anpassungen mit ihrer Null-Covid-Strategie vornehmen wird. Vorerst deutet jedoch wenig darauf hin, dass der bisher eingeschlagene Weg, der für westliche Massstäbe auch sehr drastische Massnahmen beinhaltet, verlassen wird.
Dass ein Konjunktureinbruch in der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt zu Anpassungen der Wachstumsperspektiven für den Rest der Welt führen müsste, ist aber unbestritten.
Am heutigen Montag bestimmen mehrere Krisen den Ausblick an den Finanzmärkten. Auch das Ausbleiben einer Wahlüberraschung in Frankreich konnte keine positiven Impulse auslösen. Schon in der vergangenen Woche hatten Umfragen den Wahlausgang zunehmend zugunsten Macrons vorausgesagt.
Der Krieg in der Ukraine geht mit unverminderter Intensität und mit unsäglichen Opfern in der ukrainischen Zivilbevölkerung weiter. Die Aussicht auf eine diplomatische Lösung zeichnet sich weiterhin nicht in greifbarer Form ab.
Dass Russland mit der neuen militärischen Initiative die Situation zu seinen Gunsten bewegen könnte, scheitert offenbar weiterhin am entschlossenen Widerstand der ukrainischen Armee. Ob es Dank der laufenden Lieferung schwerer Waffen zu einer ukrainischen Gegenoffensive kommen könnte, bleibt derzeit unbestätigt.
Ob bis zum russischen Nationalfeiertag, der «Tag des Sieges», am 9. Mai eine neue militärische Lage erreicht wird, scheint aus heutiger Sicht eher unwahrscheinlich. Die häufig dargelegte Sicht, dass Russland bis zum 9. Mai eine Zielerreichung vorweisen müsse, ist aber nicht durch entsprechende Ankündigungen russischer Regierungsmitglieder untermauert. Dieses Datum spiegelt wohl eher die Hoffnung auf ein Ende des grausamen Blutvergiessens. Leider ist aber auch ein noch viel längerer Kriegsverlauf über das Datum des 9. Mai hinaus zu befürchten.
Die pandemische Situation in China und die erwartete Erhöhung der US-Leitzinsen am 4. Mai um 0,5%, um die rekordhohe US-Inflation zu dämpfen, tragen zur Stimmung an den Börsen ebenfalls negativ bei. Bis zum Jahresende dürften die USD-Leitzinsen auf gut 2,5% klettern. Ob die Inflationsbekämpfung mittels Zinsschraube mit einer sogenannten «weichen Landung» für die US-Konjunktur enden wird, muss aufgrund des eher schlechten Ausgangs vergangener Bremsmanöver der US-Notenbank angezweifelt werden. Es erstaunt somit nicht, dass die Aktienmärkte besorgt auf die wiedergefundene rigidere geldpolitische Haltung der Fed blicken.
Die EZB gibt sich hingegen wesentlich moderater und wird möglicherweise Ende Jahr vorerst nur das Ende der Negativzinsen beschliessen. Dass EUR-Leitzinsen von neu 0% eine Zinswende auslösen werden, kann aber angezweifelt werden.
Im Gegensatz zu den USA ist in der Eurozone von einer Überhitzung der Arbeitsmärkte wenig zu spüren. Auch die wirtschaftlichen Folgen der gestiegenen Energiepreise und die steigenden Verteidigungsausgaben werden die EZB nur sehr vorsichtig an der Zinsschraube drehen lassen.
Trotz sehr viel Unsicherheit ist die aktuelle konjunkturelle Situation nach wie vor recht robust. Mit etwa 3,5% erwartetem weltweitem BIP-Wachstum für das laufende und für das kommende Jahr bleibt das Wachstum trotz der sehr düsteren Nachrichtenlage erstaunlich robust.
Natürlich können neue ungünstige Entwicklungen eine Anpassung dieser Erwartungen nach unten auslösen, aber mit Inflationsschub, Pandemie und Krieg in Europa ist schon viel Ungemach in der aktuellen Konsensprognose integriert.
Auch die Schweizer Wirtschaft ist trotz all dieser negativen Entwicklungen in einer erstaunlich guten Verfassung. Mit Wachstumsraten von gut 2,5% für dieses Jahr und 1,5% für nächstes Jahr erkennt man die belebende Wirkung der Aufhebung aller pandemiebedingten Massnahmen und von Nachhofeffekten bei Konsum und Investitionen. Der Schweizer Exportüberschuss wird zu einer positiven Leistungsbilanz und zu sprudelnden Steuereinnahmen führen, die zu einem Abbau der Staatsverschuldung beitragen werden. Auch der Schweizer Arbeitsmarkt ist sehr robust und die Arbeitslosigkeit in der Schweiz für den Monat März befindet sich mit 2,2% auf einem 20-Jahrestief (Quelle: Seco, saisonbereinigt).
Die Aktienmärkte eröffnen in Europa heute deutlich negativ und fallen etwa 2%. Der deutsche DAX-Index verliert etwa 1,7% und auch der französische Aktienmarkt liegt derzeit mit über 2% im Minus. Auch für die US-Aktienmärkte wird heute eine negative Eröffnung im Bereich von -1% erwartet.
In unserer Anlagestrategie halten wir an unserer nunmehr neutralen Aktienquote fest. Auch die deutliche Untergewichtung von Obligationen zugunsten von Liquidität und diverserer alternativen Anlagen wird beibehalten.
Eine hohe Diversifikation hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Verluste in unseren Anlagestrategien insgesamt moderat geblieben sind.
Wir bleiben für unseren Ausblick insgesamt zuversichtlich, dass eine Erholung der Aktienmärkte bei Abklingen der oben dargestellten Risikofaktoren erwartet werden kann (Stand ca. 13:00 Uhr, 25.4.2022, Basel Zeit).