CIO Kommentar, Montag, 27. September 2021
Die Bundestagswahlen in Deutschland sind entschieden. Die SPD ist knapp stärkste Partei und liegt vor der CDU/CSU die fast 9% an Gewicht verliert und damit das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte erreicht.
Das Ergebnis der Grünen ist deutlich stärker als 2017 es liegt aber deutlich unter den im Sommer noch gehegten Erwartungen. Die Parteien am rechten (AfD) und linken Rand (Linke) des politischen Spektrums haben an Gewicht verloren.
SPD 25.7% (+5.2%, Veränderung gegenüber 2017)
CDU/CSU 24.1% (-8.9%)
Grüne 14.8% (+5.9%)
FDP 11.5% (+0.8%)
AfD 10.3% (-2.3%)
Linke 4.9% (-4.3%)
Die signifikanten Verschiebungen der Kräfteverhältnisse im Parlament dürften zu einer neuen Koalition führen. Eine sogenannte Ampel Koalition von SPD, Grüne und FDP oder eine sogenannte Jamaika Koalition CDU/CSU, Grüne und FDP sind derzeit im Fokus der Kommentare. Scheitern beide Koalitionsgespräche, dann ist eine Weiterführung der bisherigen GroKo von SPD und CDU/CSU zumindest denkbar.
Sowohl Olaf Scholz (SPD) als auch Armin Laschet (CDU/CSU) haben noch am Wahlabend ihren Anspruch auf das Amt des Bundeskanzlers und ihre Führungsrolle bei der Koalitionsbildung betont. Tatsächlich werden aber in einem ersten Schritt die FDP und die Grünen abklären, ob sie sich auf einen der beiden möglichen Koalitionspartner (SPD oder CDU/CSU) einigen können. Damit würden Grüne und FDP zu Königsmachern für das Kanzleramt. Gelingt diese Einigung entgegen den Erwartungen jedoch nicht, dann ist am Ende auch eine Neuauflage der GroKo nicht ganz ausgeschlossen.
Die Erreichung der Klimaziele dürfte dabei etwas mehr Gewicht erhalten. Dabei scheint im Wahlkampf aber manchmal vergessen worden sein, dass die Verhinderung einer weiteren Erwärmung des globalen Klimas nur international gelöst werden kann. Die rund 7 Gigatonnen CO2-Austoss in 2020 aus den bald 1'100 chinesischen Kohlekraftwerken verursachen 10-mal mehr CO2-Ausstoss, als die gesamte deutsche Wirtschaft. Diese hat 2020 etwa 0.74 Gigatonnen CO2 ausgestossen. Diese Erinnerung an die globalen Grössenordnungen ist aber keinesfalls eine Ausrede dafür, die Anstrengungen für eine nachhaltige Energieversorgung nicht weiter zu verstärken. Gerade Europa könnte durch Taten den Beweis erbringen, dass Prosperität und Nachhaltigkeit keine Gegensätze sind. Die europäische Energiewende muss aber unter Bezugnahme auf die heutigen besorgniserregenden globalen Realitäten erfolgen.
Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung und im Bildungssystem wurde im Wahlkampf als Ziel kaum bestritten. Die Sorge um die steigende Einkommensungleichheit und die steigenden Kosten für die Sicherung der Sozialsysteme hat der SPD wohl zu Stimmen verholfen. Die Kosten für die Umsetzung einer konsequenteren Klimapolitik lösen Ängste aus, die adressiert werden müssen, damit der politische Wille für die Verfolgung von Klimazielen auch längerfristig erhalten bleibt.
Die Frage wie die Staatsfinanzen und damit die Steuerzahler für die Erreichung all dieser Ziele eingesetzt werden sollen, dürfte gerade zwischen Königsmachern Grüne und FDP zu grossen Diskrepanzen führen.
Alles schaut nun also auf Grün-Gelb.
Wie auch immer die Koalitionsgespräche enden, es spricht wenig für einen eigentlichen Aufbruch in ein gänzlich erneuertes politisches Programm. Dafür sind die politischen Gewichte über CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP zu ausgewogen und deren Programme in Grundsatzfragen zu unterschiedlich.
Die Ministerien machtpolitisch so zu verteilen, dass jede Partei sein eigenes thematisches Süppchen kochen kann, wird kaum zu einer grundlegenden politischen Wende führen. Der Auftrag des Souveräns an das Parlament ist dafür einfach nicht eindeutig genug ausgefallen. Nach dem Wahlkampf stehen in einer stärker fragmentierten politischen Landschaft schwierige realpolitischer Kompromisse an.
Weder die Schieflage des chinesischen Konzerns Evergrande noch die steigenden Gas- und Ölpreise konnten die freundliche Grundstimmung an den Aktienmärkten bisher trüben. Die Versorgungsengpässe bei der Belieferung von Tankstellen im Vereinigten Königreich haben aber offenbar auch mit einem Brexit bedingten Mangel an ausländischen Fahrern in der Logistik zu tun. Die North Stream 2 Pipeline zwischen Deutschland und Russland könnte für die Gasversorgung und die Gaspreise eine bedeutende Rolle spielen. Ob Russland dazu beiträgt, dass die Gaspreise steigen, um Druck auf eine rasche Inbetriebnahme von North Stream 2 auszuüben, lässt sich für uns gegenwärtig nicht befriedigend ermitteln. Die Spekulationen dazu machen aber gegenwärtig die Runde und könnten auch die deutsche Politik bald intensiver beschäftigen.
Dennoch signalisieren all diese Preisentwicklungen und Störungen in den Lieferketten eine starke Nachfrage und eine nach wie vor robuste Konjunktur. Aus diesem Grund dürften die Aktienmärkte weiterhin in einer freundlichen Grundstimmung bleiben.
Der SMI verliert aktuell etwa 0.8 % und der DAX steigt 0.3%. Für die US-Aktienindices wird heute Nachmittag eine wenig veränderte Eröffnung erwartet (Stand ca. 13:00, 27.9.2021, Basel Zeit).