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Marktausblick

Lage in Europa stabilisiert sich – Nachdenken über eine Normalisierungsstrategie

CIO Kommentar, Dienstag, 31. März 2020

Dr. Sandro Merino, Chief Investment Officer

Trotz der weiterhin dramatischen Lage, scheint die Hoffnung auf einen allmählichen Rückgang der neuen Infektionszahlen und der Todesopfer in Italien und Spanien berechtigt zu sein. Dies obwohl in Spanien gestern mit 849 Todesfällen die bisher höchste tägliche Opferzahl beklagt werden muss. Man hofft, dass in den kommenden Tagen die Wirkung der vielen einschneidenden Massnahmen sich auf die Statistiken zur Pandemie in vielen europäischen Ländern positiv niederschlagen wird.

In den USA steht man hingegen noch am Anfang der Entwicklung und es bleibt nach wie vor schwierig eine Prognose zum weiteren Verlauf zu erstellen. In New York haben auch in den letzten 24 Stunden die Zahl der Todesopfer dramatisch zugenommen und liegt fast bei 1000 Opfern. In China sind die Zahlen zur Ausbreitung des Coronavirus weiterhin stabil. Die für den Monat März publizierten ökonomischen Aktivitätsindikatoren für Industrie und Dienstleistungen in China deuten sogar auf eine deutliche Erholung der Wirtschaft hin. Obwohl die Zahlen mit Vorsicht zu interpretieren sind, scheint eine moderate Erholung der wirtschaftlichen Aktivität in China plausibel.

Generell bleibt im Westen das Misstrauen über statistische Zahlen aus China gross. Manche spezialisierte Analysehäuser, die wir für unsere Einschätzungen nutzen, versuchen entsprechend durch Zusatzüberlegungen die chinesischen Zahlen zu plausibilisieren. Wir sind und also bei der Formulierung unseres Ausblicks dieser Problematik durchaus bewusst. Gestern hat in Deutschland der Sachverständigen Rat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in einem Sondergutachten die Auswirkungen der Corona Epidemie auf die deutsche Volkswirtschaft analysiert. Die Kurzfassung des Sondergutachtens ist als Anhang beigelegt.

Der Sonderbericht stellt drei Szenarien vor, wobei im Basisszenario von einer Erholung im Sommer ausgegangen wird. Die deutsche Wirtschaft würde in diesem Basis-Szenario (V-Szenario) im Jahr 2020 2.8% schrumpfen und in 2021 3.7% wachsen. Auch in einem zweiten pessimistischeren Risiko-Szenario (tieferes V-Szenario) bei welchem angenommen wird, dass die aktuellen Produktionsausfälle länger andauern könnte der stärkere Rückgang der Wirtschaftsleistung in 2020 durch mehr Wachstum im nächsten Jahr nahezu kompensiert werden. Nur in einem dritten Szenario (U-Szenario) würde sich die Wirtschaftsleitung nach einem starken Einbruch in diesem Jahr auch im kommenden Jahr nur wenig erholen.

Der deutsche Sachverständigenrat geht in seinem Basisszenario also von einer starken Erholung der Wirtschaft aus, nachdem die Pandemie innerhalb des zweiten Quartals weltweit einigermassen unter Kontrolle gebracht werden kann. Es wird in der Studie entsprechend darauf hingewiesen, dass die Formulierung einer Normalisierungsstrategie zur Bildung von realistischen Erwartungen für alle ökonomischen Akteure zunehmend wichtig wird. Die meisten Regierungen sind verständlicherweise und wohl auch sinnvollerweise vor allem auf die Bekämpfung der aktuellen Bedrohung durch die Seuche fokussiert.

Nachdenken über eine Normalisierungsstrategie

Die Formulierung einer Normalisierungsstrategie bleibt derzeit sehr schwierig und spekulativ. Zu wenig gefestigt erscheint uns die Evidenz, dass es in asiatischen Ländern gelungen ist, die Situation nachhaltig unter Kontrolle zu bringen. Eine Normalisierungsstrategie für europäischen Länder muss eine Vielzahl von flankierenden Massnahmen vorsehen, bevor eine deutliche Lockerung des "lock-down" verantwortet werden kann. Solche flankierenden Massnahmen müssten einerseits den Schutz der besonders exponierten Risikogruppen gewährleisten, andererseits alle verfügbaren Mittel konsequent einsetzen, um die Infektionsausbreitung auch in einem teilweise normalisierten Alltag signifikant zu reduzieren.

Breiter verfügbare Tests, eine technologisch unterstützte Möglichkeit zur Rückverfolgung von Infektionsketten, der Einsatz von Schutzmasken im öffentlichen Verkehr, die Beibehaltung von Home Office Arbeit wo immer sinnvoll sind nur wenige Beispiele unter den möglichen Massnahmen, die in einer Normalisierungsstrategie sorgfältig geprüft werden müssen. Dies durchzudenken und zu entscheiden, ist eine grosse Herausforderung für alle Regierungen in Europa. In den kommenden Wochen dürfte sich der Fokus mehr und mehr auf diese Fragen verschieben. Mit einer EU-weiten Harmonisierung einer Normalisierungsstrategie ist in Anbetracht der Zerstrittenheit innerhalb der EU nicht zu rechnen. Man kann es leider nicht anders sagen, bis auf die wirksamen flankierenden Massnahmen der EZB, hat die EU als übergeordnete Organisation wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen auf diese epochale Krise reagiert.

In Ungarn kann jetzt Viktor Orban mit seinen Vollmachten, die durch das eigene Parlament legitimiert wurden, sein nationales Veto Recht in der EU, quasi als ungarischer Diktator, geltend machen. Völlig unhaltbare und selbstverschuldete Zustände für eine demokratische Staatengemeinschaft wie die EU. Auch der Streit um die Eurobonds sorgt für grössere Verstimmungen, ausgerechnet dann wenn Leadership gefragt wäre - ein fatales Signal. Die Folgen dieses Totalausfalls der EU in der Corona Krise dürften auch nach der Krise heute noch nicht absehbare Konsequenzen haben.

Entwicklung an den Aktienmärkten

Am heutigen Dienstag eröffnen die weltweiten Aktienmärkte positiv. Die europäischen Aktienmärkte liegen aktuell etwa 1% bis 2% im Plus. Der Schweizer SMI Index ist aktuell ebenfalls ca. 1.5 % im Plus. Auch für die US-Aktienmärkte wird heute eine positive Eröffnung erwartet. US-Aktien verlieren seit Jahresanfang je nach Index (Dow Jones / Standard % Poors 500) aktuell etwa 21% bis 22, europäische Aktien etwa 25%, Schweizer Aktien etwa 12% und chinesische Aktien (CSI 300 Index) etwa 10% (alle Zahlen per 31.3.020 ca. 12:00, Verluste in CHF bewertet).

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