Chinas Volkswirtschaft hat in den vergangenen 30 Jahren enorm an Bedeutung gewonnen, trotzdem haben die USA (in nominalen Grössen) nach wie vor die Nase vorn. Die Chancen sind zuletzt wieder gestiegen, dass die US-Wirtschaft länger als bislang vermutet die Nummer 1 bleiben wird. Dies liegt nicht allein an den aktuellen innerchinesischen Problemen und den zunehmenden geopolitischen Reibungsverlusten zwischen China und den Industrienationen. Auch Entwicklungen in den USA sowie der Status, den die USA global innehaben, spielen eine wichtige Rolle.
Für den Aufstieg des US-Dollars zur internationalen Leitwährung war seine Funktion nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Ankerwährung im Devisenregime von Bretton Woods zentral. Heute ist der Greenback aus dem weltweiten Handel mit Waren und Dienstleistungen nicht mehr wegzudenken. In den vergangenen zwei Jahren hat die Bedeutung des Greenbacks als internationales Zahlungsmittel (auf Kosten des Euros) sogar zugelegt: Sein Anteil an den internationalen Zahlungen im Rahmen von Swift (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) stieg von knapp 40% im Juli 2021 auf über 46% im Juli 2023. Gleichzeitig sank der Anteil des Euros von über 38% auf etwas mehr als 24%. Die gesunkene Bedeutung des Euros könnte mit Russlands Krieg gegen die Ukraine und den Sanktionen zusammenhängen, die gegen Russland und dessen Energie- und Rohstofflieferungen verhängt wurden. Unabhängig von den Ursachen scheint uns interessant, dass der chinesische Renminbi nicht wirklich profitieren konnte und somit keine Alternative zum US-Dollar darstellt. Sein Anteil an den internationalen Zahlungen im Rahmen von Swift stieg von gut 2% auf etwas mehr als 3% (Abb. 1). Auch bei den weltweiten Devisenreserven hat der US-Dollar mit fast 60% weiterhin die Nase vorn (Abb. 2).
Die Wirtschaftsstruktur der USA besitzt in bestimmten Punkten einen Sonderstatus. Dies gilt für den hohen Anteil des privaten Konsums in Prozenten des Bruttoinlandsprodukts (BIP). In den USA liegt dieser konstant bei um 70%. Bei den übrigen Industrienationen liegt dieser Wert über 50%, vereinzelt auch über 60%. Entsprechend spielt die Lage auf dem Arbeitsmarkt – und damit verbunden die Entwicklung des privaten Konsums – eine zentrale Rolle für die US-Konjunktur. Im bisherigen Jahresverlauf waren dies wichtige Stützen für das Bruttoinlandsprodukt und haben mit dafür gesorgt, dass in den Vereinigten Staaten eine Rezession vermieden wurde.
Allerdings ist die Quote bei den Investitionen verhältnismässig tief. Für China lag diese entsprechend dem bisherigen Wirtschaftsmodell im Jahr 2021 bei gut 40%, in den USA machten diese um die 20% der gesamten Wirtschaftsleistung aus. Dabei sehen sich die USA mit einer teilweise veralteten und maroden Infrastruktur konfrontiert. Die USA bemühen sich dementsprechend, die Volkswirtschaft und die Infrastruktur für die anstehenden Herausforderungen fit zu machen – sowohl im Wettbewerb der Systeme wie auch bei der Bekämpfung des voranschreitenden Klimawandels.
Bisher ist die Regierung von US-Präsident Joe Biden dadurch aufgefallen, dass sie in grösserem Stil Infrastruktur-Investitionsprogramme verabschiedete. Für diese fiskalpolitisch expansive Haltung hat sich der Begriff «Bidenomics» etabliert. Angeblich ist diese Bezeichnung erstmals in den Reihen der Republikaner mit einem negativen Unterton aufgekommen. Zwischenzeitlich spricht der Präsident jedoch selbst von «Bidenomics». Er betont die Absicht, die heimische Industrie zu stärken und diejenigen Teile der Bevölkerung zu unterstützen, die zuletzt «in Vergessenheit geraten sind». Während die republikanische Vorgängerregierung überwiegend versucht hat, mit tieferen Unternehmenssteuern die Investitionen und somit die Produktivität anzukurbeln, zielt die aktuelle Regierung auf eine direkte Förderung von Investitionen durch Mittel der öffentlichen Hand ab.
«Es kommt nicht von ungefähr, dass die Aktien- und Bondmärkte der USA die globalen Indizes dominieren.»Dr. Stefan Kunzmann, Leiter Investment Research
Der «Chips and Science Act» wurde ebenfalls im August 2022 verabschiedet. Er verfolgt durch Investitions- und Steueranreize ähnliche Ziele wie der «Inflation Reduction Act». Dabei liegt der Fokus jedoch hauptsächlich bei der Entwicklung der heimischen Halbleiterindustrie.
Es kommt nicht von ungefähr, dass die Aktien- und Bondmärkte der USA die globalen Indizes dominieren. Die von der aktuellen US-Regierung bewilligten Gelder zur Förderung privater Investitionen, zur Modernisierung der Infrastruktur und zur Stärkung der heimischen Wirtschaft dürften dazu führen, dass die Vereinigten Staaten wirtschaftlich noch eine ganze Weile die Nummer 1 bleiben werden. Entsprechend kommt man in einem breit diversifizierten Portfolio an US-amerikanischen Wertpapieren nicht vorbei.